)
Sowohl der Europäische Bürgerbeauftragte als auch der deutsche Bundestag werfen der EU-Kommission vor, die deutsche Sprache zu diskriminieren. | In der EU gibt es gegenwärtig 23 Amtssprachen. Alle Rechtsvorschriften sind in allen Amtssprachen zu veröffentlichen. Außerdem sind alle Organe verpflichtet, im Umgang mit den Bürgern die von diesen gewählten Amtssprachen zu verwenden - vor allem auch dann, wenn die Bürger Zugang zu Dokumenten begehren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Auch der Online-Dienst EUR-Lex, der der Öffentlichkeit Zugang zu den Rechtsvorschriften und der Judikatur der Gemeinschaftsgerichte bietet, ist durchgängig multilingual in allen 23 Amtssprachen zugänglich.
In Brüssel werden im Jahr circa drei Millionen Seiten übersetzt, wobei eine Seite durchschnittlich 165 Euro kostet. Dazu kommen die Kosten für Simultanübersetzungen. Allein das Europäische Parlament verschlingt pro Sitzungstag mehr als 90.000 Euro.
Bei 23 Amtssprachen gibt es rechnerisch 506 verschiedene Sprachkombinationen, die in der Praxis aber nicht alle gedolmetscht werden, da man sich bei "exotischeren" Sprachen der Technik des so genannten "Relaisdolmetschen" über eine führende Drittsprache bedient.
Die Kosten für die Übersetzungs- und Dolmetschdienste aller Organe zusammen belaufen sich mit circa 1,1 Milliarden Euro allerdings nur auf 1,05 Prozent des Gesamtbudgets der EU für 2007, was 2,28 Euro pro Unionsbürger pro Jahr ausmacht.
Franzosen dominieren
Deutsch ist innerhalb der EU die bei weitem meistgesprochene Muttersprache. Jeder dritte Europäer spricht Deutsch als Mutter- oder Fremdsprache, nur jeder Fünfte Französisch. Trotzdem dominieren aus historischen Gründen Französisch, aber auch Englisch als Arbeitssprache. Der Freistaat Bayern fordert nun, dass Deutsch denselben Stellenwert als Arbeitssprache bekommt wie Englisch und Französisch. Zwei Beispiele sollen in diesem Zusammenhang erwähnt werden.
In einer Aufsehen erregenden Entscheidung von Ende Mai 2008 über die Beschwerde einer deutschen Nichtregierungsorganisation (Ingo) gegen die Europäische Kommission [259/2005 (PB)GG] stellte der Europäische Bürgerbeauftragte einen Missstand in der Kommissionsverwaltung fest: In einem Ausschreibungsverfahren waren Bewerbungen auf Deutsch nicht zugelassen worden.
Es ging dabei um die Einreichung von Vorschlägen für die Rehabilitation von Folteropfern im Rahmen der "Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte". Der von der Kommission erstellte Leitfaden für die Antragstellung enthielt nämlich die Festlegung, dass die Anträge in Englisch, Französisch und Spanisch einzureichen seien. Des weiteren mussten auch alle Unterlagen zum Antrag in eine dieser drei Sprachen beglaubigt übersetzt werden. Der Bürgerbeauftragte sah darin eine Beeinträchtigung sowohl von Artikel 21 Absatz 3 EG-Vertrag, als auch von Artikel 2 der Sprachen-Verordnung 1/58.
Deutscher Bummelstreik
Der deutsche Bundestag wiederum rief einen "Bummelstreik" gegen Brüssel aus und verabschiedet 47 EU-Dokumente nicht, da ihm diese nur auf Englisch und Französisch, aber nicht auf Deutsch zur Beschlussfassung vorgelegt wurden. Die Kommission umging in diesem Zusammenhang ihre Verpflichtung zur Übersetzung der Dokumente in alle Amtssprachen dadurch, dass sie diese einfach zu "Arbeitsdokumenten" oder "Anhängen" herabstufte - ein Trick, der aus Kommissions-Sicht eine Übersetzung entbehrlich machte.
In Folge verfassten SPD, CDU/CSU, FDP und Grüne im Bundestag einen gemeinsamen "Antrag", in dem sie die Kommission auffordern, ihre "Übersetzungsstrategie" zu überarbeiten.
europarecht@wienerzeitung.at