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"Diskussionen willkommen"

Von Ina Weber

Politik

11,84 Prozent - 10 Mandate - 2 Bezirke: Die Wiener Grünen gehen leicht angeschlagen in erste Gespräche mit der SPÖ.


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Wien. Maria Vassilakou freute sich am Dienstag zum ersten Mal - wie sie selbst sagte - seit der geschlagenen Wien-Wahl. Über Nacht kam ein Mandat dazu. Die Briefwähler verschoben ein Mandat von der FPÖ zu den Grünen. Und damit fällt der Verlust nicht ganz so hart aus. Aufgrund der hohen Wahlbeteiligung haben sie sogar um 3000 Stimmen mehr als 2010. Dennoch: Mit 11,84 Prozent und zehn Mandaten verlor die Ökopartei zum zweiten Mal in Folge. Auch bei der Landtagswahl 2010 machte sie bereits Verluste. Ihr letztes Erfolgsjahr hatten die Grünen in Wien 2005 - da kamen sie auf 14,63 Prozent der Stimmen.

Vassilakou freute sich aber, weil sie gemeinsam mit einer neuen grünen Bezirksvorsteherin deren erste Pressekonferenz eröffnen durfte. Silvia Nossek gewann das Rennen um Währing. Damit stellen die Wiener Grünen zwei Bezirksvorsteher: im 7. und 18. Bezirk. Gehofft hatten sie im Vorfeld auf mindestens vier. "Ja, es tut weh", sagte Vassilakou. Sie wies jedoch auch darauf hin, dass im 2. Bezirk die Grünen erstmals den Bezirksvorsteher-Stellvertreter stellen.

In Währing passierte nun, was damals schon im 8. Bezirk möglich wurde. Auch dort wurde die ÖVP von den Wiener Grünen abgelöst. Die Freude währte aber nicht lange. Denn bereits 2010 holten sich die Schwarzen die Josefstadt wieder zurück. Auf dieses Schicksal hofft Nossek nicht. Sie präsentierte kurz und bündig ihr Programm im Café Schopenhauer. Sie wolle so schnell wie möglich das Parkpickerl einführen. "Währing hat ein wirkliches Platzproblem", sagte sie. "Die Situation ist bis Gersthof hinauf unerträglich." Durch die Einführung will Nossek nicht nur Platz für parkende Bezirksbewohner schaffen, sondern auch für zusätzliche Radwege, mehr Grün, aber auch für die öffentlichen Verkehrsmittel. Eine weitere Befragung der Bürger zu diesem Thema schloss sie aus. "In Wahrheit war die Wahl die Deklaration", so Nossek.

Doch viel interessanter war an diesem Tag die Frage, wie es mit den Wiener Grünen nun weitergeht. Sind die offiziell geäußerten Meinungen grüner Kollegen, dass nämlich doch einiges bei den Grünen nicht so rund läuft, ernst zu nehmen?

Keine Maulkörbe

Die Grünen-Chefin blieb gelassen. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betonte sie mehrmals, dass sie offen für Gespräche, Meinungen und Diskussionen sei. "Diskussionen sind willkommen", sagte sie. Bei den Grünen sei es Usus keine Maulkörbe umzuhängen. Es seien alle herzlichst eingeladen, ihre Meinungen zu äußern. Und so taten dies bereits einige, darunter der grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz, Grünen-Politiker Johannes Voggenhuber und Klaus Werner-Lobo, der nicht mehr auf die Gemeinderats-Liste gekommen war. Pilz forderte unter anderem einen aggressiveren Kurs, weg von einer "Dachgeschoßpartei". Voggenhuber kritisierte Vassilakous Rücktritts-Versprechen, das nicht eingehalten wurde.

Auch der grüne Bezirksvorsteher von Neubau, Thomas Blimlinger, zeigte sich etwas geknickt. Er machte in seinem Bezirk ebenfalls Verluste. "Einen politischeren Wahlkampf zu führen wäre besser gewesen", sagte er gestern, Dienstag. Dass statt der angepeilten sechs nur ein einziger Bezirk erobert werden konnte, liegt seiner Ansicht nach einerseits an den im Wahlkampf unterschätzten Neos, aber auch am Umstand, dass das Splitting der Wähler - SPÖ auf Gemeindeebene, Grün im Bezirk - nicht stattgefunden habe. Im Vorfeld der Wahl äußerte er sich noch kritischer. Er hatte die "dämlichen" Plakate kritisiert und Konsequenzen gefordert.

Für die Grünen sind Diskussionen nicht neu. Wäre da nicht der Rücktritts-Sager, könnten sie sich im Grunde fast entspannen, denn sie sind eine Partei, die für die Themen der Zukunft, wie Mobilität und Umwelt, stehen. So werden die Grünen wohl auch in den nächsten Jahrzehnten weiter vorhanden sein und wahrscheinlich auch wieder einmal wachsen. Es ist die Partei, die bereits in den 1980er Jahren auf das Thema Umwelt gesetzt hat. Allen in Erinnerung ist die Besetzung von Hainburg. Von dort, aus dem Umweltschutz, kamen sie auch die Grünen, so unterschiedlich sie sich auch entwickelt haben mögen.

"Wir müssen dazulernen"

Parteiinterne Querelen blieben auch dieser Partei nicht erspart - und so mancher sprühender Engagierter hat sich verbittert abgewandt. Im Großen und Ganzen konnten sie sich jedoch geschlossen retten - nicht zuletzt dank Vassilakous Geschick - bis zum großen ersten Schritt: der Regierungsbeteiligung.

Dass die Wiener Grünen weiterregieren wollen, steht fest. Aber auch, dass sie dazulernen müssen. Der grüne Gemeinderat Christoph Chorherr betonte, dass sie sich weder als "Wohlfühlpartei" sehen noch eine sein wollen. Natürlich gebe es nun Diskussionen. Und klar sei auch, "wir werden dazulernen müssen" und: "Ja, es wird inhaltlich anders sein", so Chorherr zur "Wiener Zeitung" Themen wie steigende Arbeitslosigkeit, die Verteilungsfrage und Wirtschaftspolitik sollten nun von den Wiener Grünen stärker behandelt werden.

Die Wiener Grünen sind im Laufe der Jahrzehnte breiter geworden - von der Aufdeckerpartei über humanitäre Anliegen, der Gleichstellungspolitik bis zu ihrer Kernkompetenz Umwelt. Sie sind für die einen "beliebig", für die anderen zu "speziell". "Wir lassen uns Lebensthemen, Grätzel-Themen nicht als Wohlfühl-Themen kleinreden", sagte Chorherr. Tatsächlich hat es die Öko-Partei in fünf Jahren geschafft, eindeutig grüne Themen umzusetzen; die Jahreskarte um einen Euro am Tag, die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße, die Parkpickerl-Zonen.

Vassilakou polarisiert. Für die einen macht sie alles richtig, für die anderen führt sie zu emotionalen Ausbrüchen im negativen Sinne. Für Politologe Fritz Plasser liegt das jedoch weniger an ihrer Person als am Thema. Die Verkehrspolitik sei kein einfaches Thema. Für die einen agiere sie zukunftsweisend, für die anderen - die traditionellen Automobilisten - sei sie ein Affront. Darüberhinaus ist sie laut Plasser selbstbewusst und scheut keine Konflikte. Sie geht in die verbale Auseinandersetzung und teilt jedem mit, was sie denkt und was es braucht. "Wir sind komplexer, wir haben nicht die simplen Ansagen", fasste es Grünen-Politikerin Ulrike Lunacek zusammen. Die Verhandlung kann beginnen.

Siehe dazu auch: "Klassisches Eigentor"