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Disput der Galionsfiguren in der SPD

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Europaarchiv

Beck und Müntefering vor Parteitag im Richtungsstreit. | Berlin. Spannend wird es am Wochenende für die deutsche Sozialdemokratie: Auf ihrem Bundesparteitag will die SPD den Kurs abstecken, wie sie aus der Defensive im Dreifrontenkrieg zwischen Union, Gewerkschaften und Linkspartei herauskommt.


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Im Inneren kämpfen zwei Richtungen, für die jeweils eine Galionsfigur steht: Vizekanzler Franz Müntefering will an der reinen Lehre der Schröderschen "Agenda 2010" festhalten, während Parteichef Kurt Beck dem Druck der Gewerkschaften und der Parteilinken nach Aufweichung der Reformen nachgeben will. Die Parteivorstandssitzung am Montag erweckte den Eindruck, als habe sich Kurt Beck voll durchgesetzt und sein Gegenspieler in der Regierung eine schwere Niederlage hinnehmen müssen. Trotz der eindeutigen Mehrheit (nur zwei Gegenstimmen) trügt dieser Eindruck jedoch. Hinter Müntefering steht nämlich ein erheblicher Teil der SPD-Bundestagsfraktion wie auch Finanzminister Peer Steinbrück und Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Zwischen Beck und Müntefering waren acht des neun Punkte umfassenden Reformpapiers "für ein soziales Deutschland" konsensual abgestimmt: flexiblere Übergänge bei der Rente, strengere Vorschriften bei der Leiharbeit sowie eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung.

Streit entzündete sich an dem Thema des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitslose ab 45. Hier soll die Bezugsdauer verlängert werden, bevor man auf die Höhe der Sozialhilfe absinkt. Beck hat den Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes fast wörtlich in das Papier aufgenommen und damit wenigstens einen Teil der linken Front befriedet.

Spagat vor Wahljahr

Für Beck steht viel auf dem Spiel: Er war in den letzten Monaten ins Schussfeld geraten, weil unter seiner Regentschaft die SPD abbaute, während die Merkel-CDU Höhenflüge erlebte. Selbst in der klassischen SPD-Domäne, der "sozialen Gerechtigkeit", trauen laut einer Emnid-Umfrage 52 Prozent Angela Merkel mehr zu als Beck (46 Prozent).

In wenigen Wochen beginnt ein "kleines Wahljahr": Im Januar wählen Hessen und Niedersachsen ihre Landtage und im Februar Hamburg seine Bürgerschaft. In allen drei Ländern regieren CDU-Politiker. Auch in Bayern, das im Herbst wählen wird, steht die SPD nicht hoch im Kurs. Wie man aus diesem Tal der Tränen den Motivationsschub für die Bundestagswahlen 2009 holen will, ist noch ein Rätsel.

480 Delegierte sollen nun von Freitag bis Sonntag im Congress Center Hamburg den Spagat von links bis zur Mitte schaffen - unter einem rot-grünen Dach, Europas größtem Staudendachgarten - und mit dem Leitsatz des neuen Programms in der Tasche: Die SPD sieht sich "in der stolzen Tradition des demokratischen Sozialismus".