Zum Hauptinhalt springen

Disput um die HPV-Impfung

Von Inga Radel

Wissen

Durchbruch in der Krebsprävention oder überschätzt? | Berlin. (dpa) Die HPV-Impfung, die Frauen vor Gebärmutterhalskrebs schützt, ist ein Meilenstein in der Krebsprävention, da sind sich die Forscher und die Herstellerfirmen sicher. Inzwischen, gut ein Jahr nach der Zulassung des Impfstoffs, mehren sich aber auch kritische Stimmen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Von einem Durchbruch in der Krebsprävention zu sprechen, ist maßlos übertrieben", kritisiert etwa Rolf Rosenbrock, Leiter der Forschungsgruppe Public Health am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung. Als elfthäufigste Krebserkrankung bei Frauen seien Gebärmutterhalstumore in unseren Breiten "sehr selten". Diese Krebsfälle könnten auch mit einem verbesserten Früherkennungssystem minimiert werden - und das "weitaus kosteneffektiver".

Theoretisch seien bei optimaler Früherkennung 90 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs zu verhindern. "Wenn eine Frau regelmäßig zur Früherkennung geht, braucht sie keine Impfung - andersherum gilt das nicht", so Rosenbrock. Denn die Impfung schütze nur gegen zwei Typen der beim Sex übertragenen Humanen Papilloma-Viren (HPV), die laut Studien 70 Prozent aller Gebärmutterhalskrebse verursachen. Alle Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren zu impfen, wie es auch die Ständige Impfkommission am Berliner Robert Koch-Institut (Stiko) empfiehlt, würde in der Folge Milliarden Euro kosten.

Preis und Preise

Der an der Entwicklung des Impfstoffs beteiligte Harald zu Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg lässt Rosenbrocks Kritik nicht gelten. Weltweit handle es sich um den zweithäufigsten Krebs bei Frauen und der Impfstoff schütze auch vor den Krebs-Vorstufen, die bei der Vorsorge nur entdeckt werden könnten (in Deutschland 100.000 solcher Fälle jährlich). Auch hier würden meistens Operationen nötig, die mit einer großen Belastung für die Frauen sowie Nachsorge-Terminen verbunden seien. Diese verursachten ebenfalls erhebliche Kosten für das Gesundheitssystem.

Wolfgang Becker-Brünser, Herausgeber der Zeitschrift "Arznei-Telegramm", bleibt dennoch bei seiner Kritik an der Impfung und unterstellt der Impfkommission zudem, bei ihrer Entscheidung nicht unabhängig gewesen zu sein. So habe deren damaliger Vorsitzender Heinz-Josef Schmitt wenige Monate zuvor einen mit 10.000 Euro dotierten Preis angenommen, der von Sanofi Pasteur MSD - einem der beiden Impfstoffhersteller - gestiftet wurde. Das Robert Koch-Institut weist diesen Vorwurf eines Interessenkonflikts zurück. "Den Preis als Begründung einer Befangenheit anzuführen, ist sehr bemüht", sagt Sprecherin Susanne Glasmacher.

Einig sind sich Kritiker und Fürsprecher der Impfung indessen bezüglich der Preispolitik der Hersteller. Knapp 480 Euro kosten beide zugelassene Impfstoffe die deutschen Kassen für die drei nötigen Dosen. "Absolut gerechtfertigt und keine Utopie" sei der Preis, sagt ein Sprecher von Sanofi Pasteur MSD - "extrem teuer" dagegen Becker-Brünser. Und Krebsforscher zu Hausen: In Deutschland möge die Impfung noch erschwinglich sein, "für die Länder in der Dritten Welt aber, also gerade dort, wo die Krankheit am häufigsten sei, ist der Preis unerträglich hoch."