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Disput um ein religiöses Großprojekt

Politik

Um den Bau einer Moschee in Straßburg ist in Frankreich ein hitziger Streit entbrannt. Denn die grüne Stadtregierung genehmigte öffentliche Förderungen für die Errichtung - obwohl das Projekt von türkischen Islamisten betrieben wird.


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Dass die Eyyub-Sultan-Moschee im französischen Straßburg nach ihrer Fertigstellung kein bescheidenes Gotteshaus sein wird, ist schon heute zu sehen: Riesig ist die Baustelle, die in der elsässischen Stadt an der Grenze zu Deutschland entstanden ist. Kuppelbauten und lange Grundmauern lassen die Ausmaße der fertigen Moschee bereits erahnen. Wo jetzt noch kahle Betonwände und ein Baukran stehen, soll später ein 36 Meter großes Minarett in den Himmel Straßburgs ragen. 2.500 Gläubige sollen in dem Gebäude Platz finden. Das Gotteshaus wäre damit die größte Moschee Europas außerhalb der Türkei.

Für gewöhnlich würde schon dieser Umstand in so ziemlich jedem Land Westeuropas für hitzige Debatten sorgen. Denn das Thema Islam ist durch Einwanderung und den sich stets vermehrenden Anteil von Muslimen in den einst christlich geprägten europäischen Ländern ein Dauerbrenner - erst recht im terrorgeplagten Frankreich. In den 2000er Jahren setzte Straßburg mit dem Bau der Großen Moschee, eines etwa halb so großen Gebäudes, im Umgang mit den Muslimen auf Transparenz: Man wollte den Islam "aus den Kellern holen" - was in den Hinterhofmoscheen gepredigt wurde, war von den Behörden schließlich kaum zu kontrollieren. Auch die Eyyub-Sultan-Moschee sollte es der Stadt ermöglichen, gestaltend einzugreifen.

Extremisten als Dialogpartner

Bei der Grundsteinlegung für den Bau im Jahr 2017 kamen auf französischer Seite dann aber erste Zweifel auf: Mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten - und islamischen Theologen - Bekir Bozdag schickte die Türkei ein prominentes Regierungsmitglied nach Straßburg, im türkischen Fernsehen wurde über die Veranstaltung breit berichtet. In Frankreich, dessen Präsident Emmanuel Macron mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan schon so manchen Konflikt ausgefochten hat, wurde befürchtet, dass die Türkei versuchen könnte, über Imame in den Moscheen Einfluss auf die französischen Muslime zu nehmen. Der Gedanke ist gerade bei der Eyyub-Sultan-Moschee nicht abwegig: Denn die Trägerin des Bauprojekts ist Milli Görüs, eine islamistische türkische Organisation, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Sie wurde Anfang der 1970er Jahre vom ehemaligen türkischen Premier Necmettin Erbakan gegründet, der als Ziehvater Erdogans gilt. Der Organisation, die den berüchtigten nationalistischen Grauen Wölfen und der Muslimbruderschaft nahestehen soll, wird vorgeworfen, dass es ihr Ziel ist, religiösen und politischen Einfluss im Ausland zu gewinnen - auch und besonders in den Ländern der EU. Dort soll sie muslimische Parallelgesellschaften fördern und eine islamische Ordnung propagieren, die alle Bereiche des Lebens umfasst. Trotz ihres problematischen Hintergrunds zählt Milli Görüs für den französischen Staat zu den wichtigsten Ansprechpartnern, wenn es um den Islam in Frankreich geht.

Teures Projekt

Die Betreiber des Projekts geben sich harmlos. Sie betonen den unpolitischen, rein religiösen Charakter des Moscheebaus. Auch die Mittel für die Errichtung würden ausschließlich aus Spenden von Gläubigen stammen - und nicht, wie Kritiker behaupten, über verdeckte Kanäle vom türkischen Staat. Geld frisst der Moscheebau nämlich in jedem Fall: Das ursprünglich 17 Millionen Euro teure Projekt kostet mittlerweile mit 32 Millionen Euro fast doppelt so viel. In dieser Lage sprang nach der Region Grand Est im März auch noch die Stadt Straßburg ein und gewährte einen Zuschuss in der Höhe von 2,5 Millionen Euro - an und für sich nichts Ungewöhnliches, auch christliche Kirchen wurden schon mit Geld aus dem städtischen Budget unterstützt.

Doch der Umstand, dass eine mutmaßlich islamistische Moschee durch die grüne Bürgermeisterin Jeanne Barseghian öffentliche Mittel erhalten sollte, wurde dann doch zum Politikum. Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin kritisierte die Zuwendung an Milli Görüs scharf. Er verwies auf ein Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat von 1905, das die Finanzierung von Religionsgemeinschaften mit öffentlichem Geld verbietet. Was Darmanin dabei vergaß: Das Gesetz gilt für das Elsass nicht, das von 1871 bis 1918 Teil des Deutschen Reiches war. Dort wird immer noch das Konkordat von 1801 angewendet, das sehr wohl öffentliche Finanzhilfen vorsieht. Darmanin kritisierte auch, dass Milli Görüs die "Charta der Prinzipien des Islams in Frankreich" nicht unterzeichnet habe. Diese sieht eine Trennung von Kirche und Staat vor. Barseghian schlug daraufhin eine Art Notbremse vor: Neben der Vorlage eines transparenten Finanzierungsplans soll die Unterzeichnung der Charta zu einer Bedingung werden, damit das kommunale Geld tatsächlich fließt.

Macron will mit Härte punkten

Dass das Bauprojekt zum nationalen Thema wurde, hat auch einen weiteren Grund: die Präsidentenwahlen im kommenden Jahr. Macron ist im Umfragetief. Durch seine Sozialpolitik bekommt er nur wenig Unterstützung von links. Jetzt hofft er auf Stimmen aus dem rechten Lager, indem er sich als Verteidiger republikanischer Werte gegenüber dem politischen Islam in Szene setzt. Anlässe dafür gibt es mehr als genug: etwa die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty im Vorjahr, weil dieser im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Oder die jüngste Ermordung einer Polizistin in Rambouillet. Erdogan hatte sich nach Patys Tod nicht über die Tat schockiert gezeigt, sondern vielmehr über die Mohammed-Karikaturen - und zu einem Boykott französischer Waren aufgerufen. Milli Görüs hatte ihn dabei unterstützt.(leg)