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Dissens in Geldfrage

Von Jan Michael Marchart

Politik

Ärztekammer-Kurie lehnt beschlossenes Gehaltsmodell und Teileinigung mit Stadt ab.


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Wien. Am Dienstag lehnte die Kurie der Wiener Ärztekammer das vor Ostern beschlossene Gehaltsmodell für den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) sowie die Teileinigung mit Stadt und Gewerkschaft ab. Eine Einigung gab es bei den Arbeitsbedingungen und -zeiten. Die Kammer will aber ein Gesamtpaket. Am Montag soll weiter verhandelt werden. Die Eckpfeiler der vorangegangenen Verhandlungen der drei Streitparteien liegen der "Wiener Zeitung" vor.

Bleibt es bei den Personaleinsparungen?

Die Einsparungen werden beibehalten. Aber bei den Gesprächen zwischen Stadt, Gewerkschaft und Ärztekammer wurde noch einmal klargestellt, dass es nur zu der umstrittenen Reduzierung des Personalstands um 382 Vollzeitstellen kommt, wenn begleitend entsprechende Strukturmaßnahmen ergriffen werden. Nachtdienste werden also nur dort reduziert, wo es möglich ist. Kündigungen seien nicht geplant. Kommt es trotz Maßnahmen zu Engpässen in Abteilungen, wird der Personalstand entsprechend erhöht. Laut Ärztekammer wird es in manchen Abteilungen zu einer Personalaufstockung kommen müssen.

Wie errechnen sich die 382 Stellen?

Die 382 Stellen wurden durch eine Reduktion der Nachtdienste errechnet, wenn die Hauptarbeit am Nachmittag stattfindet. Der Personalbedarf soll dadurch sinken und es sollen 47 Millionen Euro durch Umschichtungen frei werden. Nach einer Evaluierung der Bereiche und Nachtdienste sollen die Stellen bis 2018 eingespart werden. Dabei werden Dienstverträge nicht verlängert, Stellen nicht nachbesetzt und die Aufnahme von Turnusärzten wird reduziert. Die Personalbedarfsrechnung wird auf Basis einer 40-Stunden-Woche gerechnet.

Konkret geht man von einer Reduktion des Leistungsaufkommens in den Abteilungen nach 20 Uhr aus. Für die Entlastung braucht es laut Protokoll etwa eine fachliche Schwerpunktsetzung in der Akutversorgung in der Nacht, eine Vermeidung von medizinisch nicht notwendigen Rettungszufahrten (Ausbau Ärztefunkdienst) und eine zielgerichtete Leitung des Patienten in zentrale Notaufnahmestellen.

Ist die Patientenversorgung gesichert?

Wegen des Durchrechnungszeitraums von 17 Wochen wird in den Spitälern ab Mai mit Engpässen in der Versorgung gerechnet. Deswegen haben sich die Streitparteien darauf geeinigt, einen finanziellen Anreiz für die Ärzte in schwächer besetzten Abteilungen zu schaffen. Dafür sollen die Ärzte in diesen Abteilungen eine Einverständniserklärung unterschreiben und in den Monaten Mai und Juni länger arbeiten. Bis Ende April wird ein Modell ausgearbeitet. Ab Juli möchte man die 48-Stunden-Woche einhalten.

In welchen Punkten liegt man auseinander?

Dissens gibt es noch bei den Gehaltsvorstellungen. Das Paket, das Ende März den Wiener Landtag passierte, sieht eine Erhöhung der Grundgehälter von bis zu 29 Prozent vor, da die Mediziner durch die neue Arbeitszeitregelung Zuverdienste wie Nachtdienste und Überstunden einbüßen. Die Ärztekammer möchte aber eine noch stärkere Erhöhung. Darin sollen höhere Zulagen für Nacht-, Sonn- und Feiertagsdienste enthalten sein, die laut Kammer-Vizepräsident Hermann Leitner im KAV-Paket gering ausgefallen sind. Gefordert wird etwa eine Nachtdienstzulage von 200 Euro pro Nachtdienst oder verlängerten Dienst. Sollten die Gehaltsvorstellungen erfüllt werden, ortet Verhandler Leitner Zustimmungsbereitschaft in der Kurie. In Sachen Arbeitsbedingungen und -zeiten würden nur noch Kleinigkeiten fehlen.

Insgesamt bedeutet diese Erhöhung ein zusätzlicher Aufwand für die Gemeinde von etwa 25 Millionen Euro. Hinzu kommt die Forderung nach einer rückwirkenden Erhöhung seit 1. Jänner. Seitdem gilt die neue Regelung in Österreich nämlich. Stadt und Gewerkschaft lehnen beides restriktiv ab. Die Kammer will aber ein Gesamtpaket. Die Geldfrage ist dabei von eminenter Bedeutung.

Die drei Streitparteien konnten sich aber auf Funktionszulagen einigen. Diese werden noch verhandelt und mit der Besoldungsreform 2017 in Kraft treten.

Was ändert sich an den Arbeitszeiten?

Bei den Arbeitszeiten wurde laut Protokoll klargestellt, dass es in Zukunft keine flächendeckenden Schichtdienste geben wird. Die 25-Stunden-Dienste, die laut Ärztekammer im Wiener Krankenanstaltenverbund gut funktioniert haben, bleiben demnach erhalten. Davon kann nach der Ärztekammer "nur abgegangen werden, wenn die betroffenen Ärztinnen und Ärzte anderes wünschen beziehungsweise 25-Stunden-Dienste aufgrund der Arbeitsbelastung rechtlich unzulässig sind".

Außerdem wird die maximale Zahl der Nachtdienste auf 5,5 pro Monat in einem Durchrechnungszeitraum von sechs Monaten begrenzt. Überall dort, wo es der Dienstbetrieb zulässt, ist alle zwei Wochen ein freies Wochenende von Freitagnachmittag bis Montagfrüh vorgesehen.

Wer kontrolliert die Einhaltung der Punkte?

Kontrolliert werden soll das von einer Kommission, die aus den drei Parteien besteht. Einmal im Quartal soll sie tagen. In außerordentlichen Fällen wird ein Experte (Risk Manager) hinzugezogen.

Wie sieht es in den anderen Bundesländern aus?

Salzburg, Steiermark, Oberösterreich und Kärnten haben eine Einigung zum neuen Arbeitszeitgesetz. In Niederösterreich unterschreitet man die 48 Stunden bereits. In Oberösterreich läuft seit Dienstag die Urabstimmung, die bis 19. April geht. Mit Juli soll das neue Modell in Kraft treten. Die Direktion für Gesundheit und Soziales des Landes Oberösterreich rechnet mit einer Zustimmung von 80 Prozent. Vorarlberg und Tirol haben sich auf eine Übergangslösung geeinigt. In Tirol zeichnen sich aber ab Mai Engpässe ab, da zu wenige Ärzte eine Einverständniserklärung unterschrieben haben und Dienst nach Vorschrift machen. Im Burgenland hat man noch keine Lösung gefunden. Auch im Wiener AKH fehlt jedwede Einigung. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) möchte die Zusatzkosten mit Reserven abdecken. Offen ist laut AKH-Betriebsrat Martin Andreas die Finanzierung des laufenden Jahres sowie der mitverantwortliche Tätigkeitsbereich, also Tätigkeiten wie Blutabnahmen, die künftig von den Pflegern durchgeführt werden soll. Auch mehr Personal wird gefordert.