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Dissonanzen im Konzert der Nationen

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

+++ Steckt Europa in der Krise - oder vielleich doch nicht? | Politiker empfinden in erster Linie national. | Salzburg. Premier Jan Peter Balkenende ist zunächst Niederländer, dann Europäer. EU-Parlamentspräsident Josep Borrell ist Katalane, Spanier und Europäer. Kommissarin Benita Ferrero-Waldner ist Salzburgerin, Österreicherin und Europäerin. Nicht umgekehrt. Kosmopolitischer reagieren die Journalisten im Pressezentrum: Auf die Frage, ob sie sich als Europäer fühlen, antworten bei einer Blitzumfrage alle mit Ja. Ohne zu zögern.


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Die politischen Akteure geben zuerst ihre regionale oder nationale Zugehörigkeit an. Dabei sind sie in Salzburg zusammengekommen, um bei der Konferenz "Sound of Europe" über die Zukunft Europas zu debattieren und darüber, wie das europäische Bewusstsein der Bevölkerung gestärkt werden könnte.

Uneinig waren sie sich aber schon in der Frage, ob Europa in einer Krise stecke. Zweifellos, meinte der französische Ministerpräsident Dominique de Villepin. "Das letzte, was wir jetzt brauchen, ist von einer Krise zu reden", erklärte hingegen Balkenende.

Europa müsse einsehen, dass es sich in letzter Zeit zu viel zugemutet habe, führte Villepin aus. Viele fragen sich mittlerweile, ob die EU die Erwartungen ihrer Bürger überhaupt erfüllen könne. So wären auch die Konsequenzen der Osterweiterung "nicht richtig und nicht ausreichend erkannt worden". Skeptisch wie weite Teile der Bevölkerung - nicht nur - seines Landes zeigte sich der französische Premier zu nächsten Erweiterungsrunden. "Europa kann sich nicht unendlich erweitern", sagte Villepin, der für die Schaffung einer gemeinsamen Grenzpolizei plädierte. Die Grenzen der EU selbst geben die Achtung gemeinsamer Werte sowie die Aufnahmefähigkeit der Union vor. Während Österreichs Bundeskanzler und EU-Ratspräsident Wolfgang Schüssel noch von Identitäten sprach, pochte Villepin auf die Wichtigkeit der einen, der europäischen Identität.

Institutionen-Stärkung

Der nächsten Erweiterung sei daher eine Phase der Vertiefung vorzuziehen. Dass dazu eine Stärkung der EU-Institutionen notwendig wäre, betonten die Premiers Frankreichs und der Niederlande kaum. In beiden Ländern war die europäische Verfassung - die etwa dem EU-Parlament ein größeres Gewicht verliehen hätte - im Vorjahr in Referenden abgelehnt worden. An einem neuen Anlauf zur Annahme des Vertragswerks zeigte Balkenende sich nicht interessiert: Statt mit einer abstrakten Diskussion müssten die Bürger mit konkreten Ergebnissen vor allem im ökonomischen Bereich wieder für die Union eingenommen werden.

"Europa darf nicht zu einer rein wirtschaftlichen Idee werden - es muss mehr sein", legte wiederum der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dar. Europa brauche nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern auch ein gemeinsames Ziel.

Bürgernähe

Den Mehrwert zu kommunizieren hat sich die EU-Kommission zum Ziel gesetzt. Ihre Mitglieder waren es auch, die die geschlossene Veranstaltung verließen, um Bürgernähe zu zeigen. Ferrero-Waldner diskutierte mit Studierenden, die für Kommunikation zuständige Kommissarin Margot Wallström traf sich mit Schulklassen. Doch als sie zuvor der Runde aus Politikern, Wissenschaftern und Kunstschaffenden ein Band mit Kommentaren von EU-Bürgern vorspielen wollte, fiel die sonst tadellos funktionierende Tonanlage aus.

Mehr als die Debatten im abgeriegelten Congress-Haus interessierten die meisten Salzburger und angereisten Touristen aber ohnehin die Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Luxuslimousinen der Politiker nahmen sie trotzdem mit Bewunderung zur Kenntnis.