Die Partei steht geschlossen hinter Mitterlehner.
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Wien. Er ist der einzige Politiker mit eigenem Soundtrack. Reinhold Mitterlehner schreitet zur Titelmusik des Westerns "Django" auf die Bühne. Er wurde beim Bundesparteitag in Wien mit 99,1 Prozent zum Parteiobmann gewählt - das beste Ergebnis seit 30 Jahren.
Mitterlehner weiß sich gut in Szene zu setzen und die Parteifunktionäre auf seine Seite zu ziehen. Während er zu seiner Antrittsrede schreitet, werden Cowboystiefel eingeblendet. "Django" dröhnt aus den Lautsprechern. Das soll in Aufbruchsstimmung versetzen. "Den Namen habe ich schon 30 Jahre. Ich habe nicht gewusst, dass er mal relevant wird für die ÖVP." Die Inszenierung ist gekonnt. Er wirkt nicht ganz so "entfesselt" wie sein Vorgänger Michael Spindelegger, aber kein Wort scheint zufällig gewählt. Letzter verzichtete bei seiner Abschiedsrede auf böse Worte und wünschte Mitterlehner viel Glück und Rückhalt von der Partei.
Rekordverdächtiges Wahlergebnis
Uneindeutig waren die Ergebnisse von Obmann-Abstimmungen in der ÖVP – mit Ausnahme des Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen Erhard Busek und Bernhard Görk 1991 - auch in der Vergangenheit nicht. Der Ende August zurück getretene Spindelegger wurde vor dreieinhalb Jahren mit 95,5 Prozent der Stimmen gewählt und stieß später dennoch auf sehr viel Gegenwind. Aber das Wahlergebnis Mitterlehners ist beachtlich und das stärkt ihn. Nicht nur intern, sondern auch vor der Konkurrenz.
Zur Erinnerung: Bundeskanzler Werner Faymann bekam beim SPÖ-Parteitag 2012 nur 83 Prozent der Stimmen, ein Rekordtief. Mitterlehner stellte sogar den Kanzleranspruch, und das gleich zwei Mal. Das erste Mal etwas indirekt: "In den letzten 40 Jahren hat die ÖVP zehn Jahre lang den Bundeskanzler gestellt. Ich glaube, das ist zu wenig." Und am Ende ganz offen: "Wir wollen das Land anführen."
Rückendeckung aus Brüssel
Mitterlehner versteht es, seine Leute auf seine Seite zu ziehen. Die Partei applaudiert lange und laut. Er nennt sein Regierungsteam "die glorreichen Sieben" und findet für jeden einzelnen lobende Worte.
Nach der Abstimmung herrscht Aufbruchsstimmung: "Es ist jetzt anders. Es wird nicht immer nur das Negative gesucht und das gegenseitige Ausrichten ist nicht da", sagt Familienministerin Sophie Karmasin im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Leiter der ÖVP-Delegation in Brüssel, Othmar Karas, stellt sich hinter Mitterlehner: "Wir haben das erste Mal die Hoffnung, dass wir Faymann überholen können", sagt Karas zur "Wiener Zeitung". Er meint, dass die Zusammenarbeit zwischen der Bundespartei und Brüssel besser und intensiver würde.
So viel Rückhalt hat Spindelegger nie bekommen. Bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Mai hatte Karas sogar auf das ÖVP-Logo auf seinen Wahlplakaten verzichtet. Kritik daran ist heute nicht zu hören.
Inhaltlich ging Mitterlehner auf fast jedes derzeit aktuelle Thema ein: Bildungsreform, schwache Konjunktur, Arbeitslosigkeit. Er wolle Österreich in eine "öko-soziale Marktwirtschaft führen", intensiv gegen die steigende Arbeitslosigkeit vorgehen gemeinsam mit heimischen Betrieben neue Märkte erschließen.
Keine bösen Worte über die Konkurrenz
Mitterlehner verzichtete auf böse Worte für die politische Konkurrenz. Dafür gab es etwas Spott über die "eingerauchten" Neos, die FPÖ "mit ihrem Brutto vom Netto" und dem Team Stronach - "weder Nachfrage, noch Angebot". Den Koalitionspartner hat Mitterlehner mit Witzen verschont.
Mitterlehner braucht jede Unterstützung, die er bekommen kann, denn auf den Vizekanzler kommen schwierige und unpopuläre Engscheidungen zu. Die Regierung ist noch immer entzweit, was die einzelnen Punkte und die Gegenfinanzierung der Steuerreform angeht. Finanzminister Hans-Jörg Schelling hat sich mit seinem Vorschlag, auch Arbeitgeber zu entlasten, eine Abfuhr beim Bundeskanzler geholt. Die SPÖ fordert bei der Finanzierung vermögensbezogene Steuern. Stimmt Mitterlehner dem zu, könnte ein Teil der ÖVP-Basis wieder ganz schnell böse werden. Auch die steigenden Arbeitslosenzahlen könnten Mitterlehner in Bedrängnis bringen. Er fordert eine Lockerung der Zumutbarkeitsregelung, ÖVP-nahe Arbeitgebervertreter verlangen schon lange einen 12-Stunden-Tag. Diese Forderungen stoßen bei der SPÖ aber auf verschlossene Türen. Einen Streit vom Zaun brechen kann der Vizekanzler mit dem Koalitionspartner aber nicht. Sonst muss er sich wieder den Vorwurf gefallen lassen, dass die ÖVP eine starre, wenig zukunftsfähige Partei ist.
Und dann sind da noch die vier Landtagswahlen im kommenden Jahr. In Oberösterreich hat die ÖVP zwar die Chance, wieder stimmenstärkste Partei zu werden. Im Burgenland und der Steiermark stehen die Chancen schlechter. Und die Wien-Wahl könnte für die ÖVP zum Desaster werden. Hier könnte die Partei unter die Zehn-Prozent-Marke rutschen.
Reaktionen
Die SPÖ gab sich kritisch: SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos stieß sich daran, dass Mitterlehner am Parteitag einer Vermögensteuer neuerlich eine Absage erteilt und sich gegen höhere Negativsteuern für Geringverdiener ausgesprochen hatte. Darabos kritisierte, dass die ÖVP vor allem Gutverdiener entlasten wolle. Für ihn sind Negativ- und Vermögensteuer "eine Frage der Gerechtigkeit". Denn Leistungsträger seien "all jene, die hart arbeiten" und "nicht diejenigen, die das höchste Einkommen aufweisen".
"Wir gratulieren natürlich und wünschen ihm für seine schwere Aufgabe alles Gute", so NEOS-Bundesgeschäftsführer Feri Thierry. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, schlechter Wirtschaftsdaten und schwacher Standort-Rankings müsse die Regierung "mutige Reformschritte" setzen.
Keinen Zweifel an Mitterlehner haben naturgemäß die Teilorganisationen der ÖVP: Wirtschafts- und Arbeitnehmerbund, Bauern- und Seniorenbund, Junge Volkspartei und ÖVP-Frauen richteten Gratulationsadressen an den neuen Parteichef. Auch mehrere Landesparteien gratulierten mittels Presseaussendungen. So meinte der Tiroler Landeschef Günther Platter, die Stimmung in der Partei habe sich zuletzt "massiv verbessert": "Ohne Zweifel - die ÖVP hat wieder Tritt gefasst."