)
Der vorläufige Abschluss des Verfahrens gegen die Mörder des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic ist auch ein Teil der nach wie vor unvollendeten und lückenhaften Aufarbeitung der jüngsten serbischen Geschichte und der Ära Milosevic. Am deutlichsten zeigt dies der Werdegang des Hauptangeklagten Milorad Ulemek alias "Legija", der zur Höchststrafe von 40 Jahren Haft verurteilt wurde. Seinen Spitznamen erhielt er wegen seines Dienstes in der französischen Fremdenlegion, für die Legija in Afrika und im Irak kämpfte. Dieser schloss er sich an, weil er in Serbien wegen Raubes gesucht wurde.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Zu Beginn der 90er Jahre desertierte er und schloss sich im Jugoslawien-Krieg der Miliz des Kriminellen Zeljko Raznatovic alias "Arkan" an, die für Plünderungen und Morde in Bosnien und Kroatien berüchtigt war. Nach Serbien zurückgekehrt, stieg Legija zum Kommandanten der "Roten Barette" auf, einer Polizei-Sondereinheit, die Milosevic treu ergeben war und auch politische Morde ausführte. So wurde er wegen anderer Attentate bereits zu insgesamt 55 Jahren Haft verurteilt. Dazu zählen die Ermordung des ehemaligen serbischen Präsidenten Ivan Stambolic im August 2000 und ein inszenierter Autounfall im Oktober 1999, bei dem vier Oppositionspolitiker starben.
Im Oktober 2000 als Milosevic stürze, blieb Legija neutral, aber auch seinem Kerngeschäft treu, das aus der Verquickung von Polizei, Geheimdienst und Organisierter Kriminalität bestand. Diese Kreise begann Zoran Djindjic ernsthaft zu stören. Zu Legijas Motiven für den Anschlag hieß es daher in der Anklage, Ulemek habe durch den Mord die Ultranationalisten wieder an die Macht bringen und seine Auslieferung an das Haager Tribunal verhindern wollen. Außerdem sollte ein Schlag gegen die Organisierte Kriminalität verhindert werden, den Djindjic bereits vorbereitet hatte. Diese Motive leiteten auch die übrigen elf Angeklagten, von denen noch fünf auf der Flucht sind. Sie alle waren Mitglieder der "Roten Barette" oder eines Mafia-Klans. Alle erhielten vom Sondergericht in Belgrad langjährige Haftstrafen. Die Höchststrafe von je 40 Jahren erhielt neben Legija auch der Todesschütze Zvezdan Jovanovic; neun Angeklagten erhielten zwischen 30 und 35 Jahre, ein Angeklagter kam mit acht Jahren davon. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Der Prozess dauerte dreieinhalb Jahre und stellte die serbische Justiz auf eine schwere Probe. Ein Kron- und ein Augenzeuge wurden ermordet; ein Ankläger wurde wegen krimineller Machenschaften in einem Mafia-Prozess verhaftet. Die vorsitzende Richterin erhielt Drohungen per SMS. Die Absendernummer gehörte dem Direktor des Gefängnisses, in dem Ulemek einsitzt.
Mögliche politische Hintergründe und Auftraggeber des Attentats blieben im Dunkeln, auch weil das Gericht die Vorladung der Führung des Geheimdienstes und von Ministerpräsident Vojislav Kostunica nicht zuließ. Sicher ist, dass von Djindjics Tod all jene Kräfte profitierten, denen Rechtsstaat und eine rasche EU-Annäherung nicht gelegen kommen, weil das ihre Geschäfte stören könnte. Somit waren die Attentäter durchaus erfolgreich, weil durch Djindjics Tod die Transformation Serbiens zweifellos verzögert wurde. 7