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Das Binnen-I im Amts- und Geschäftsverkehr bleibt.
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Wien. Im Internet würde man "Shitstorm" dazu sagen. Im Fall der Önorm A 1080 heißt es Begutachtungsfrist. Diese endete am Montag und bescherte dem Ö-Norminstitut "Austrian Standards" einen noch nie dagewesenen Rücklauf an Stellungnahmen. 1200 Briefe und E-Mails, das ist Rekord, sagt der Sprecher des Instituts, Johannes Stern. Erklärbar ist die Aufregung über eine trockene Normierung mit einem einzigen Zeichen: dem Binnen-I. Das Komitee zur Regelung des Schriftverkehrs hatte dem Norm-Institut unter anderem vorgeschlagen, es aus dem Amts- und Geschäftsverkehr zu verbannen und durch andere geschlechtergerechte Formulierungen zu ersetzen. Grund: die schlechte Lesbarkeit.
"Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Entwurf so rauskommen wird", sagt Stern. Wahrscheinlichstes Szenario: Der Entwurf kommt ohne das umstrittene Kapitel über das Binnen-I. Für eine Abänderung des Kapitels bedarf es eines "tragfähigen Konsenses". Und ein solcher ist angesichts der Flut an Stellungnahmen, die laut Stern von pauschaler Ablehnung bis hin zu frenetischem Jubel reichen, unwahrscheinlich.
Fortschritt und Rückschritt
Die von SPÖ-Frauen, Arbeiterkammer, Gewerkschaft und Hochschülerschaft getragene Protestwelle sah in dem Vorschlag gegen das Binnen-I einen Rückfall im Streben nach Gleichberechtigung. "Derart rückschrittliche Ideen gehören ins vorvorige Jahrhundert, in den Normen eines modernen Staates haben sie nichts zu suchen", sagte etwa Gewerkschaftsboss Erich Foglar. Applaus gab es hingegen von der FPÖ. Endlich würde man erkennen, dass das Binnen-I und das Benützen beider Geschlechter in Schriftstücken "nicht praktikabel" seien.
Das Normungsinstitut geriet ins Kreuzfeuer, obwohl es selbst nur als Plattform dient. Die Vorschläge für die Norm kommen vom Komitee zur Regelung des Schriftverkehrs. Dessen Vorsitzende, Walburg Ernst, verteidigte kürzlich in der "Wiener Zeitung" ihren Vorschlag und meinte: "Die Sprache dient der klaglosen Verständigung und nicht der Durchsetzung zweifelhafter politischer Ziele." Sie fragte: "Welchen Frauen hat das Binnen-I zu besseren Jobs oder zu mehr Bezahlung verholfen?" Darauf distanzierte sich das Institut von diesen "persönlichen Aussagen" Ernsts und kündigte "weitere Schritte" an.
Ernst gibt aber nicht nach: "Eine Vielzahl von Stellungnahmen sieht unseren Entwurf sehr positiv." Unter den negativen Reaktionen ortet sie gar konzertierte "Shitstorms". Ernst verweist auf E-Mails im Umfeld von Frauenorganisationen, die große Gruppen von cc-Empfängerinnnen auffordern, Einspruch gegen den Antrag zu erheben. E-Mails dieser Art würden ihr vorliegen.
Keine VorarlbergerInnen
Bestätigt sieht sich Ernst durch den Leitfaden der Vorarlberger Landesregierung. Dort wird tatsächlich empfohlen, auf Binnen-I oder Schrägstriche zu verzichten, weil diese "nur gelesen aber nicht gesprochen signifikant" seien. Auch von Einklammerungen wie bei "Arbeiter(in)" wird abgeraten, weil dabei die weibliche Form "sekundär" erscheine.
Das Komitee tagt am 4. April. An Rückzug denkt Ernst nicht: "Mich kann niemand absetzen, das kann ich nur selbst."