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Doch kein Gefängnis für die milde Gabe

Von WZ-Korrespondent André Anwar

Politik

Norwegens Regierung wollte Spenden an Bettler verbieten.


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Oslo. Können Nächstenliebe und Barmherzigkeit Sünde sein? Im reichsten Land Europas schon. Die stramme Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten in Norwegen hat Bettlern aus armen EU-Ländern den Kampf angesagt. Die Hauptstadt Oslo hatte 2014 bereits ein kommunales Bettelverbot ausgesprochen. Bald soll ein totales landesweites Bettelverbot kommen.

Hinzu kam seit neuestem die Initiative, auch das Geben von Almosen an Bettler unter Strafe zu stellen. Bettlerfreunde sollten mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Strafbar wäre laut dem Regierungsentwurf jede Art von Gabe gewesen, die Bettelei erleichtert, ob es sich nun um Geld oder Unterkunft handelt. Quasi in letzter Sekunde wurde dieses Ansinnen am Donnerstag zunichte gemacht.

Kakao und Übernachtung

Der Entwurf war von Anfang an umstritten. Zahlreichen Norwegern sind zwar die immer zahlreicher werdenden Rumänen im Straßenbild ein Graus, der nicht ins saubere Wohlfahrtsland passt. - Die Idee eines Verbots von Almosen wird da als doppelter Wall gegen die Bettelei angesehen. - Kritiker dagegen befürchten, dass das neue Verbot als Keule gegen alle ausländischen Bettler und Menschen mit Herz genutzt wird.

Inger Husby aus dem Osloer Vorort Böler lädt Bettler immer wieder zu sich nach Hause ein. Mit Aufkommen des Regierungsentwurfs bekam sie Angst, dass die Polizei ihr deshalb bald nachstellen könnte. "Die haben hier mehrmals übernachtet, bekommen Mittagessen und ich fülle ihre Tassen mit Kakao", sagte sie dem Sender NRK.

Der Sender spekulierte, dass die liebevoll als "Mama Inger" bezeichnete alte Dame nach Erlass des Gesetzes schon bald ins Gefängnis wandern könnte. "Beispiel für die Mitwirkung kann unter anderem sein, wenn eine Person Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt", hieß es in der Gesetzinitiative des von den Rechtspopulisten geführten Justizministeriums.

Mama Inger macht weiter

Allerdings lässt sich Inger nicht abschrecken. "Ich würde noch mehr helfen, wenn die das wirklich verbieten sollten. Man kann doch Leute nicht bestrafen, die anderen helfen, die es schlechter haben", sagt sie. "Wenn die mich ins Gefängnis stecken wollen, bitteschön. Das ist auch eine Erfahrung."

Zentrumspartei legt sich quer

"Es geht hier um aktive Beihilfe zu einer Aktivität, die wir wegbekommen wollen", verteidigt der rechtspopulistische Staatssekretär im Justizministerium, Vidar Brein-Karlsen, den Vorstoß. Es gehe vor allem darum, organisierte Bettelei zu bekämpfen. Da müsse man an die Organisatoren ran, diejenigen, die die Bettler nach Norwegen holen.

Marianne Borgen von der Linkspartei kritisiert, dass laut den Definitionen der Rechtspopulisten bereits zwei Bettler, ein Vater und ein Sohn, als organisiert gelten würden. "Vater und Sohn können dann Bußgelder oder Gefängnis bekommen und auch diejenigen, die den Bettlern helfen möchten", kritisiert sie. "Europas reichstes Land kriminalisiert die ärmsten Menschen."

Auch die anderen Oppositionsparteien - Sozialdemokraten und Christdemokraten - haben sich gegen den Vorstoß gestellt. Am Donnerstag erhielten sie unerwartet Hilfe von der Zentrumspartei, die eigentlich die Regierung unterstützt. "Beihilfe zur Bettelei unter Strafe zu stellen, ist inakzeptabel. Es kann nicht strafbar sein, Menschen Kleider, Essen und ein Dach über dem Kopf zu geben", ergänzte die Fraktionschefin des Zentrums, Marit Arnstad, gegenüber der norwegischen Nachrichtenagentur NTB. Damit fehlt der Minderheitsregierung aus der konservativen Höyre und der rechtspopulistischen Fortschrittspartei die nötige Unterstützung. Und das Almosenverbot ist vorerst vom Tisch.