Seniorenrat läuft Sturm gegen Regierungspläne - Kanzler und Vizekanzler sichern Verhandlungen zu.
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Wien. Ein Polizist darf im Nebenerwerb uneingeschränkt in der Pension - auch bei vorzeitiger Pension - Weinbauer sein. Ein Weinbauer muss mit Pensionsbeginn seine Weingärten verkaufen oder verpachten. Ist das gerecht? Der Großteil der Bevölkerung wird diese Frage vermutlich mit Nein beantworten.
Das Beispiel beschreibt die Situation vor 1992. Danach wurden die Ruhensbestimmungen für ASVG- und GSVG-Versicherte nach Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters - 60 für Frauen, 65 für Männer - abgeschafft. Durch die Einigung der Regierung beim Pensionsgipfel am 29. Februar 2016 könnte allerdings die eklatante Schieflage zu den Beamten in Ruhestand wiederhergestellt werden. Laut den Beschlüssen des Pensionsgipfels sollen für drei Jahre nach dem gesetzlichen Antrittsalter - also bei Frauen bis 63 und bei Männern bis 68 - die Pensionsversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und Dienstgeber bis zur Hälfte entfallen. Allerdings ist es nicht mehr möglich, neben der Pension voll dazu zu verdienen. Ebenfalls für die ersten drei Jahre nach dem gesetzlichen Antrittsalter bekommt man nur noch die Pension bis zur Höhe der Ausgleichszulage zur Gänze. Alles was darüber hinausgeht, wird bis maximal zur Hälfte angerechnet, das heißt nicht ausgezahlt.
Eine Strafaktion
Die Vertreter der Pensionisten laufen dagegen Sturm. Der Seniorenrat ist empört über die geplanten Pensionskürzungen für berufstätige Pensionisten. "Das ist eine Strafaktion, die uns wirklich erbost hat, und wir werden alles tun, um das wieder zu ändern", sagte Seniorenrats-Präsidentin und Obfrau des ÖVP-Seniorenbunds Ingrid Korosec in einer Pressekonferenz am Dienstag. Laut Korosec seien 20.000 Menschen von der Regelung betroffen.
Auch der Vizepräsident des SPÖ-Pensionistenverbands Rudolf Edlinger sprach in Vertretung des erkrankten Präsidenten Karl Blecha von einer "sozial ungerechtfertigten" Regelung, die "wir absolut ablehnen". Er führte vor allem das Argument, dass Beamte weiterhin "dazuverdienen können, was sie wollen" ins Treffen. Das widerspreche der Harmonisierung der Pensionssysteme. Beide zeigten sich überzeugt, die Maßnahme noch aufhalten zu können.
Die Argumente der Senioren zeigten anscheinend schon Wirkung, denn sowohl Kanzler Werner Faymann (SPÖ) als auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) signalisierten nach dem Ministerrat bereits Gesprächsbereitschaft. Und auch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat die Einführung dieser Verschärfung offenbar schon abgeschrieben. Nicht so SPÖ-Sozialminister Alois Stöger. Er findet, dass man sich eben zwischen Arbeitseinkommen und Pension entscheiden müsse.
Der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk hat diese 50-prozentige Pensionskürzung für arbeitende Pensionisten im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" kritisiert. "Damit würde eine Ungleichheit wiederhergestellt", sagte der Staatsrechtler. Allerdings verwies er auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) und darauf, dass dieser Punkt noch verhandelt wird.
1990 hat der VfGH sinngemäß festgestellt, dass Ruhensbestimmungen zwar grundsätzlich erlaubt sind, aber deren Ausgestaltung so sein muss, dass sie nicht diskriminierend sind. Daraufhin hat die Regierung beschlossen, dass für ASVG- und GSVG-Versicherte ab der Alterspension das Dazuverdienen möglich ist.
Öffentlich rechtliches Entgelt
Als die Regierung Schüssel I versucht hat, die Ruhensbestimmungen der Beamten an die der ASVG- und GSVG-Versicherten anzupassen - sprich, Dazuverdienen erst ab Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters (65) zu erlauben -, ist der VfGH eingeschritten. Er hat in einem Erkenntnis festgestellt, dass die Beamtenpension nicht gekürzt werden darf, wenn der Beamte vor seinem 65. Lebensjahr in den Ruhestand getreten ist und er neben seiner Pension auch noch ein Erwerbseinkommen bezieht. Die Beamtenpension sei ein öffentlichrechtliches Entgelt und keine Versorgungsleistung. Beamte gingen auch nicht in Pension, sondern in den Ruhestand und könnten wieder in Dienst gestellt werden.