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Doch Leukämien durch Uranmunition?

Von Georg Breuer

Wissen

Während US-amerikanische und britische Militärbehörden, aber auch die meisten Wissenschafter bisher jeden Zusammenhang zwischen Uranmunition und eventuellen Leukämie-Erkrankungen bei etwa am Balkan eingesetzten Soldaten bestreiten, hat der britische Forscher Dudley Goodhead, Leiter der Abteilung für Strahlung und Genstabilität des British Medical Research Council, eine einleuchtende Erklärung gegeben, wie ein solcher Zusammenhang aussehen könnte.


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Beim Aufschlag eines Geschoßes mit Uranmantel auf eine Panzerplatte entsteht Uranstaub, der an der Luft oxidiert. Die Uranoxid-Staubteilchen haben Durchmesser von einem Zehntausendstel bis zu einem Hundertstel Millimeter. Werden solche Staubteilchen eingeatmet und gelangen ins Lungengewebe, werden sie von weißen Blutkörperchen weggeschafft und in Lymphknoten im Bereich des Brustkorbs abgelagert. Von dort aus kann die Strahlung Stammzellen beschädigen, aus denen die weißen Blutkörperchen gebildet werden, und so Leukämie auslösen ("New Scientist", 13. Jänner 2001, S.5).

Uran ist nur schwach radioaktiv. Und die Alphastrahlung (Heliumkerne), die es aussendet, kann Materie nicht weit durchdringen. Aber gerade deshalb geht die ganze Strahlungsdosis in das unmittelbar benachbarte Gewebe, wenn ein Uranstaubteilchen in den Körper gelangt, und das kann Krebs verursachen.

In Wasser oder Blut ist Uranoxid schlecht löslich. Mit Harn- oder Blutproben kann man daher nicht zuverlässig feststellen, ob sich Uranteilchen im Körper befinden. Und da die Strahlung nicht durchdringend ist, kann man das Vorhandensein und die Position solcher Staubteilchen auch nicht durch Strahlenmessungen von aussen feststellen.

Wenn Goodheads Vermutungen richtig sind, muss man damit rechnen, dass es in den kommenden Jahren und Jahrzehnten bei Soldaten und Bevölkerung der betroffenen Gebiete zahlreiche Fälle von Leukämie und Krebs geben wird. Wenn die Militärs recht haben und die Leukämien von anderen durdch den Krieg verbreiteten Substanzen verursacht wurden, sind die Aussichten auch nicht viel besser.

Doch auch wenn die Leukämien andere Ursachen haben sollten, bedeutet das nicht, dass die Uranmunition ungefährlich ist. Denn dass Uranstaubteilchen, die längere Zeit im Körper bleiben, Krebs auslösen können, steht außer Zweifel.

Uran hat eine Halbwertszeit von 4,46 Mrd. Jahren. Das ist fast so lang, wie die Erde existiert. Die Strahlungsaktivität nimmt also im Verlauf eines Menschenlebens und selbst in Jahrtausenden nicht nennenswert ab. Und beim radioaktiven Zerfall von Uran entstehen überdies in kleinen Mengen noch weit stärker strahlende Substanzen wie Radium.

Die Kontamination der Landschaft mit diesem Staub ist vermutlich nur an wenigen Stellen stark, aber sie wird sich nie mehr ganz beseitigen lassen. Noch in Jahrtausenden werden solche Staubpartikel in der Luft umherfliegen und gelegentlich einmal von einem Menschen eingeatmet werden. Und sie werden auch ins Trinkwasser und in die Nahrung gelangen.