Deutschland hat die Chance verpasst, demnächst von einem Aristokraten regiert zu werden. Denn auch bei unserem Nachbarn bringt eine Jagdgesellschaft alles zu Fall, was die Durchschnittsstatur überragt. Dass ein Mann von Welt, der sich zehn Vornamen merken muss, schon einmal den Überblick über ein paar Zitate verlieren kann, übersteigt das Fassungsvermögen der Fußnotenbürokraten, die in den letzten Wochen zum Halili auf den Freiherrn von und zu Guttenberg geblasen haben. Ob der "Orden wider den tierischen Ernst", der ihm kürzlich vom Aachener Karnevalsverein verliehen wurde, den Verlust des Doktortitels aufwiegt? Immerhin wäre damit geklärt, dass der Ausgezeichnete es auch beim Zitieren nicht immer tierisch ernst nehmen konnte.
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"Zu jung, zu intelligent, aus zu gutem wohlhabenden Haus, zu schön . . ." - einen Brief dieser Art hat Karl-Theodor zu Guttenberg nicht verlesen, aber Tonlage und Stoßrichtung seiner Verteidigungsstrategie gleichen der seines österreichischen Pendants, das den Überblick nicht über die Fußnoten, sondern über die Geheimkonten verloren hat.
Wie Karl-Heinz Grasser betreibt Guttenberg aggressive Vorwärtsverteidigung, bei der selbst das Eingeständnis einer Verfehlung im Ton der Selbstbeweihräucherung vorgetragen wird. Dass - nach derzeitigem Stand - mehr als 20 Prozent der Doktorarbeit abgeschrieben wurden, ist in der Darstellung des Freiherrn ein "handwerklicher Fehler", den er nun entdeckt habe, nachdem er die Arbeit übers Wochenende noch einmal durchblätterte. Den Rückzug von akademischen Ehren inszeniert er wie einen fürstlichen Gnadenakt, in der - wohl vergeblichen - Hoffnung, er könne damit die formelle Aberkennung seines Doktorgrades durch die Universität Bayreuth abwenden.
Prätentiöse Verpackung ohne Substanz, nur was zwischen den Zeilen steht, ist interessant. Seine Dissertation sei in sieben Jahren mühevollster Kleinarbeit neben seiner Berufs- und Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater entstanden. Der Subtext hinter dieser schwülstigen Formulierung: Er habe es viel schwerer gehabt als der typische studentische Luftikus, der so in den Tag hinein lebt. Unüberhörbar die aristokratische Indignation, dass es kein Doktorat nach Gutsherrnart gibt, dass an ihn doch tatsächlich dieselben Maßstäbe angelegt werden wie an all die grauen akademischen Mäuse.
Auch wenn er sein Ministeramt behalten sollte - als strahlende Zukunftshoffnung der deutschen Politik hat Guttenberg ausgedient. Bei seinen bisherigen politischen Pannen konnte er noch immer die Schuld auf ein Bauernopfer schieben und das als Führungskompetenz verkaufen. Das wird diesmal schwierig. Oder soll er den Ghostwriter, der hier nach Meinung vieler (es gilt die Unschuldsvermutung) am Werk war, dafür belangen, dass er keine handwerklich saubere Arbeit geliefert hat?
Hans Pechar leitet die Abteilung für Hochschulforschung an der Universität Klagenfurt.