Zum Hauptinhalt springen

Doktortitel - trotz allem unverzichtbar

Von Georg Cavallar

Gastkommentare
Georg Cavallar ist AHS-Lehrer, Dozent für Neuere Geschichte und Lehrbeauftragter an der Universität Wien. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die europäische Aufklärung, die Philosophie Kants und der Islam.
© privat

Vieles spricht für das Doktoratsstudium. Das akademische System sollte aber verbessert werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Skandal um die Plagiatsvorwürfe gegen die türkise Ex-Ministerin Christine Aschbacher hat auch im Ausland Wellen geschlagen. So plädierte etwa Steffen Huck, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin und Professor für Volkswirtschaftslehre am University College London, in der "Zeit" für die Abschaffung des Doktorats: Ein Doktoratsstudium würde nur die Macht von Bürokraten und Betreuern stärken und solle durch einen internationalen Publikationsprozess ersetzt werden. Kernstück davon ist das System des "Peer-Review", wo Beiträge für Fachzeitschriften von anderen Experten aus dem jeweiligen Sachgebiet anonym begutachtet werden.

Gegen Hucks Vorschlag gibt es allerdings massive Einwände. Die Fachzeitschriften sind nicht immer ein Gütesiegel, wie Huck behauptet. Das zeigte die Britin Helen Pluckrose, die sich gemeinsam mit James A. Lindsay und Peter Boghossian einen "Hoax" leistete (bekannt auch unter "The Grievance Studies Affair"): Die drei wiesen nach, dass Zeitschriften der Sozial- und Kulturwissenschaften auch dann Aufsätze annahmen, wenn diese kompletten Unsinn enthielten - entscheidend war lediglich, dass die Texte einem bestimmten Weltbild entsprachen. In diesen Fällen waren es ein postmoderner Jargon und eine politisch korrekte Identitätspolitik (siehe auch Pluckroses und Lindsays Buch "Cynical Theories" aus dem Jahr 2020).

Abhängigkeiten gibt es tatsächlich an Universitäten und Hochschulen - aber nicht nur wegen eines Promotionsverfahrens, sondern auch wegen des Prekariats, mit dem sich junge Akademiker konfrontiert sehen. Sie bekommen zu häufig nur zeitlich befristete Stellen.

Das bestehende System sollte verbessert werden. Nicht nur Plagiate und Ghostwriter sind ein Skandal. Genauso ist es ein Skandal, wenn wissenschaftliche Arbeiten offensichtlich nur oberflächlich oder gar nicht betreut werden. Genau diese - im Idealfall perfekte - Betreuung unterscheidet natürlich ein Promotionsverfahren von einem "Peer Review". Da gibt es nämlich nur eine Bewertung, aber keine Hilfestellung. Das Doktoratsstudium hingegen ermöglicht es, selbständig, aber mit Anleitung über einen längeren Zeitraum hinweg zu arbeiten und sich in ein wissenschaftliches Thema zu vertiefen.

Für die höheren Bildungseinrichtungen sollte generell gelten: Qualität vor Quantität. Erst dann verdienen sie diese Bezeichnung. Als Gesellschaft sollten wir auch die unsinnige Gier nach akademischen Titeln überdenken. Als ob es auf das ankäme, was vor unseren Namen steht - und wenig bis gar nicht auf die Qualität unseres Menschseins oder Charakters. Als akademische Qualifikation muss der Doktortitel aber bleiben.