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Wiens FPÖ-Chef spricht im Interview über die Zukunft der Wiener Partei. Ein Comeback von HC Strache schließt er nicht dezidiert aus.
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Wien. Kurz nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos wurde der 37-jährige Dominik Nepp vom FPÖ-Parteivorstand zum Nachfolger des abgetretenen Wiener Langzeit-Obmanns Heinz-Christian Strache ernannt. Jetzt ist er Wiener Parteiobmann, Vizebürgermeister, Landeshauptmann-Stellvertreter und nicht amtsführender Stadtrat. Trotzdem ist er in Wien nicht besonders bekannt. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erzählt Nepp, wie es mit der Partei weitergehen soll.
"Wiener Zeitung": Herr Nepp, was sagen Sie zu den aktuellen Hausdurchsuchungen bei Strache und Johann Gudenus betreffend des Postenschacher-Vorwurfs bei den Casinos Austria?
Dominik Nepp: Dazu kann ich nichts sagen, das ist Sache der Justiz.
Wie geht es der Wiener FPÖ fast drei Monate nach dem Ibiza-Video?
Ibiza war ein Schockmoment, weil wir so etwas noch nicht erlebt haben - und ich auch die zwei Personen so nicht kenne, wie sie in diesem Video waren. Aber Strache und Gudenus haben ihre persönlichen Konsequenzen gezogen, sind von allen Ämtern zurückgetreten. Wir haben uns konsolidiert, bleiben unseren Themen aber weiter treu. Die Wiener FPÖ hat sich inhaltlich und thematisch nicht geändert.
Heißt das, dass Sie bei der Wien Wahl 2020 als Spitzenkandidat antreten - oder gibt es ein Comeback von Strache?
Er selbst hat gesagt, er möchte für volle Aufklärung sorgen: Er will herausfinden, wer hinter dem Video steckt, und dass die Ermittlungen der Justiz abgeschlossen werden. Erst wenn das passiert ist, wird man bewerten, ob ein Comeback möglich ist oder nicht.
Aber was ist dann anders? Was hat die Aufklärung der Umstände mit den Aussagen von Strache und Gudenus in dem Video zu tun?
Naja, bis jetzt kennen wir nur diese sieben Minuten. Strache will, dass die kompletten sechs oder sieben Stunden veröffentlicht werden - weil er meint, dass im Kontext des gesamten Materials seine Unschuld bewiesen wird.
Haben Sie das ganze Video schon gesehen?
Nein, noch nicht. Ich kann nur das beurteilen, was in diesen sieben Minuten zu sehen war.
Und Sie sind der Meinung, dass die dort getroffenen Aussagen noch relativierbar sind?
Nein, Strache hat ja selbst gesagt, dass diese sieben Minuten sehr peinlich sind. Also den Peinlichkeits-Oskar wird er nicht mehr los. Die Frage ist nur, in welchem Zusammenhang diese Aussagen getroffen wurden - und das gilt es jetzt aufzuklären.
Also werden Sie der Spitzenkandidat für die Wien-Wahl sein?
Wer Spitzenkandidat wird, werden wir rechtzeitig bekanntgeben. Wir nehmen an, dass aufgrund der maroden Umfragedaten der SPÖ Michael Ludwig erst im Oktober 2020 wählen wird. Das heißt, diese Entscheidung ist erst im Frühjahr 2020 zu treffen.
Wie will die FPÖ Wahlen gewinnen, wenn ihre Spitze weggebrochen ist? Sie sind zwar schon eine Weile im Amt, haben aber sicher nicht den Bekanntheitsgrad eines Herrn Strache oder eines Herrn Gudenus.
Selbstverständlich ist eine Nummer eins immer bekannter als eine dahinter liegende Zahl. Allerdings kann man Bekanntheit schnell aufholen. Und wir haben es ja auch bei Norbert Hofer gesehen: Er hat beim Präsidentschaftswahlkampf mit vier Prozent Bekanntheitsgrad begonnen und am Ende fast die Hälfte aller Österreich erreicht. Deswegen starten wir jetzt auch Internetkampagnen, die jährliche Sommertour läuft an, wir haben eine große Gemeindebauaktion - wir machen die Arbeit, die immer gemacht wurde, nur eben jetzt mit einer anderen Spitze.
Wird es im Herbst auf Bundesebene wieder zu Türkis-Blau kommen?
Der Wunsch der Bevölkerung ist, dass man den Reformkurs weitergeht. Und es war eine beliebte Regierung. Deswegen ist es für mich unverständlich, dass Sebastian Kurz aus parteitaktischen Gründen so sorglos diese Regierung in die Luft gesprengt hat.
Warum aus parteitaktischen Gründen - war der Grund nicht das Ibiza-Video?
Er wollte Stimmen maximieren und hat gedacht, dass das Ibiza-Video eine Schwäche ist, die er ausnutzen kann, um auch noch den Innenminister herauszuschießen. Aber er hat sicher nicht damit gerechnet, dass die freiheitliche Familie so eng zusammensteht und wir uns das nicht gefallen lassen. Er wollte das gleiche Modell wie Wolfgang Schüssel im Jahr 2002 anwenden. Nur ist dieser Schmäh der Altschwarzen dieses Mal nicht durchgegangen.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte wollen Sie für Wien setzen?
Das Thema Sicherheit - denn Wien hat ein Sicherheitsproblem. Jetzt haben wir nämlich diese Messerstechereien schon fast täglich in der Stadt. Und ein anderer Schwerpunkt wird Zuwanderung und Integration sein. Und Soziales - hier vor allem im Wohnbau, wo wir einen Staatsbürgerbonus umsetzen wollen.
Ist es unter Bürgermeister Ludwig nicht schwerer geworden, mit den Themen zu punkten - hat er doch Waffenverbotszonen und ein Alkoholverbot umgesetzt bzw. im Wohnbau den Wien-Bonus eingeführt?
Das ist ja auch so ein Schmäh: Beim Wien-Bonus geht es um eine gewisse Aufenthaltsdauer als Vergaberichtlinie und nicht um die Staatsbürgerschaft als Kriterium. Und wenn ihm Sicherheit wirklich ein Anliegen wäre, dann würde er die Maßnahmen auf weitere Problemzonen ausweiten, wie etwa auf den Franz-Jonas-Platz oder auf den Platz vor dem KH Nord, wo jetzt auch schon schwer kranke Alkoholiker herumlungern und Besucher belästigen. Aber Ludwigs Maßnahmen sind reine Placebos, deswegen mache ich mir da keine Sorgen.
Aber ist Wien nicht immer noch eine der sichersten Städte der Welt?
Im Vergleich zu anderen Großstädten: Ja. Aber ich vergleiche nicht Wien mit New York oder
Paris. Ich möchte Wien mit dem vergleichen, was es einmal war: Wien war eine sichere Stadt. Das ist sie jetzt nicht mehr. Meine Frau ist am Abend auf der Prater Hauptallee joggen gegangen und wurde belästigt. Jetzt geht sie
dort mit einem mulmigen Gefühl herum. Das ist so, weil die rote Stadtpolitik auf das Wachstum der Stadt und auf den damit verbundenen Zuzug falsch reagiert hat.
Normalerweise ist man von Ihnen gerade beim Thema Zuwanderung - Stichwort Islamisierung - einen viel schärferen Ton gewohnt. Geben Sie sich jetzt als potenzieller Spitzenkandidat der Wiener FPÖ seriöser als sonst?
Schärfere Worte sind ja auch nur inhaltliche Komponenten. Aber man kann ja auch laut sein, ohne zu schreien - indem man inhaltlich konsequent und hart bleibt. Dass wir in Wien keine Islamisierung wollen - davon gibt es für mich kein Abweichen, egal wie ich es sage.
Immer wieder wird der FPÖ vorgeworfen, dass sie Verhetzung betreibt und Ängste schürt.Wie sehen Sie das?
Diejenigen, die Angst schüren - nämlich Angst vor einer staatstragenden, demokratisch legitimierten Partei wie der FPÖ, die angeblich irgendwelche totalitären Systeme aufbauen will -, sind die Linken. Auch die Wiener SPÖ betreibt uns gegenüber eine Ausgrenzungspolitik.
Ist das jetzt nicht wieder der alte Opferrollen-Schmäh? Wie wird die FPÖ genau von der SPÖ ausgegrenzt?
Sie gibt uns in der Stadtregierung keine Ämter, sondern nur die Funktion der kontrollierenden Stadträte und grenzt damit nicht nur uns, sondern auch 30 Prozent der Wiener Wähler aus. Das ist nicht demokratisch.
Was wäre Ihr Wahlziel für Wien?
Dass wir mit amtsführenden Stadträten und - wenn möglich - auch mit Bürgermeister in der Stadtregierung vertreten sind.
Zusammen mit welcher Partei?
Es gibt sehr vernünftige Menschen in der SPÖ, mit denen wir im Gespräch sind, die auch in Wien einer rot-blauen Koalition nicht abgeneigt wären. Die Frage ist, ob sich Ludwig gegen den linksextremen Rand - wo man schon geglaubt hat, er sei beseitigt worden - durchsetzt. Denn der dürfte jetzt stärker sein als je zuvor und hat mit Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ein neues Aushängeschild, weil er Ludwig ständig die Show stiehlt.
Sieht es derzeit nicht eher nach einer von Ludwig und Wirtschaftskammerpräsidenten Walter Ruck angestrebten großen Koalition aus?
Das ist zu befürchten. Eine rot-schwarze Stillstandsregierung.
Sie sagen rot-schwarz und nicht rot-türkis - Rathaus-Insider meinen, die Türkisen seien in Wien noch nicht angekommen. Sehen Sie das auch so?
Der türkise Lack ist ja bereits auf Bundesebene abgebröckelt. Das hat man daran gesehen, dass die ÖVP plötzlich Kickl weghaben wollte. Das sind eindeutig Züge der alten, schwarzen ÖVP mit Johanna Mikl-Leitner, Günther Platter und Konsorten. Und gerade in Wien hat sich diese altschwarze ÖVP mit Walter Ruck durchgesetzt und bastelt jetzt an Rot-Schwarz. In Wien ist die ÖVP sicher nicht türkis.