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Dompteur Dichand und die Medien

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Ab und zu sollten die Zeitungen sich selbst analysieren. Sie reagieren auf die Ausrufung des Bundespräsidentenwahlkampfs durch den "Krone"- Herausgeber wie Pawlowsche Hunde.


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Seit Donnerstag 18.28 Uhr hat die gekünstelte, weitgehend durch das Zusammenspiel zwischen Medien und Politik geschaffene Wirklichkeit eine Sensation: die Bundespräsidentenwahl.

Zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte die Austria Presse Agentur (APA) ausführlich, was am folgenden Freitag in der "Krone"-Beilage "Live" zu lesen sein würde. Der Zeitungsherausgeber werde Gedanken über die Politik, die Staatsspitze und zwei Politiker namens Pröll zu Papier bringen.

So geschah es auch. Abgesehen von seiner brüsken Abwendung von seinem politischen Ziehsohn Werner Faymann reduzierte sich Hans Dichands Botschaft darauf, dass er den nächsten Bundespräsidenten und den nächsten Bundeskanzler nominierte und - so deutlich stand es freilich nicht drin - dafür sorgen könnte, dass die Wähler richtig wählen. Die "Krone" kann das.

Die digitalen Rennbahnen des neuen Medienzeitalters ermöglichten selbstverständlich, dass parallel zu "Live" beziehungsweise Dichand auch die anderen Zeitungen sofort zur Stelle waren, um Alarm zu geben. Sie waren eilig genug, wie sichs gehört, aber nicht eben klug oder - besser gesagt: nicht eben selbstsicher - in ihrer Aufgabe. Denn unabhängig davon, wer im nächsten Jahr auf welche Weise zum Staatsoberhaupt gewählt werden wird - es ist dem 88-jährigen Dichand mit einer einzigen "Krone"-Ausgabe gelungen, die Bundespräsidentenwahl zum Thema dieses Sommers zu machen. Es wird uns bis 2010 nicht mehr loslassen.

Eigentlich ist das von der "Krone" gestartete und von allen anderen Medien bereitwillig an die Politiker weitergegebene Agenda-Setting ein Mangel an Selbstbewusstsein derer, die so gern die Nase über die "Krone" rümpfen. Zwar wurden dem "Knalleffekt" ("Kleine Zeitung") spätestens am Samstag distanzierende Bemerkungen über Dichand und dessen Motive nachgeschoben. Von Konkurrenzneid war die Rede ("Wiener Zeitung", "Salzburger Nachrichten"), vom "Orakel" und von "kruden Äußerungen" ("Standard"); "Die Presse" erinnerte daran, dass die Mobilisierungskraft des "Krone"-Herausgebers "ein Problem der journalistischen Standesethik" darstelle.

Alles richtig, bloß hatte Dichand zu dem Zeitpunkt seine Mobilisierungskraft zumindest bei allen anderen österreichischen Medien, ganz deutlich auch beim ORF, unter Beweis gestellt. Die Zeitung "Österreich" hatte mit dem Steirer Christopher Drexler bereits den ersten ÖVP-Politiker an der Gurgel, der aussprach, was offenbar ganz Österreich, auf jeden Fall aber die Boulevardzeitungen "Österreich" und "Krone" hören wollten: dass die Volkspartei einen eigenen Kandidaten gegen den amtierenden Heinz Fischer aufstellen solle und zwar (ganz wichtig!) "noch vor dem Sommer".

Kein Vizekanzler Josef Pröll könnte den Medien jetzt noch ihren innenpolitischen Sommer vermiesen. Und sein Onkel Erwin - in der Innenpolitik wird seit kurzem fast nur noch in ersten, zweiten und dritten Verwandtschaftsgraden gepokert - will sowieso einen Kandidaten, sagt aber nicht dazu, ob er das selbst sein werde. Wie spannend!

Die "Wiener Zeitung" hat die delikate Frage, ob Dichand die politische Großwetterlage nach Lust und Laune verändern könne, mit einem mutigen "Natürlich nicht" beantwortet.

Beim Blick in die Zeitungen und als Konsument unterschiedlichster ORF-Programme am vergangenen Wochenende bin ich mir nicht so sicher. Soweit sich Medien auch als Wettermacher verstehen, hat Hans Dichand voll gewonnen.