Die umstrittensten Entscheidungen des US-Präsidenten scheinen in Abwesenheit seines Schwiegersohns getroffen zu werden.
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Washington. Freitag Nachmittag, 16 Minuten vor Sonnenuntergang, unterschrieb Donald Trump ein, in seinen Worten, "großes Ding". Er unterzeichnete mit seiner goldenen Füllfeder jenes Dekret, das Flüchtlingen aus aller Welt die Einreise in die USA in den nächsten vier Monaten verwehren soll, und Personen aus muslimisch dominierten Ländern - Libyen, Iran, Irak, Jemen, Somalia, Syrien und dem Sudan - die nächsten drei Monate an der Einreise hindern soll. Der Grund: Sicherheitsbedenken.
Länder, in denen Trump geschäftliche Interessen hat, wie etwa Saudi-Arabien, das mehrfach in Verbindung mit den 9/11-Attentätern genannt worden war, wurden bekanntlich nicht auf die Liste gesetzt. Das am Freitagnachmittag unterzeichnete Dekret sei "für den Schutz der Nation vor ausländischen Terroristen", erklärte Trump.
Der Zeitpunkt der - live übertragenen - Unterschrift macht in den USA viele Beobachter stutzig. Denn eine Person aus dem Kreise der engsten Vertrauten war zu diesem Zeitpunkt nicht an Trumps Seite: sein Schwiegersohn Jared Kushner. Er gilt vielen als die Stimme der Vernunft in Trumps Umfeld, als einer, der das zum Teil erratisch anmutende Verhalten seines Schwiegervaters in sanftere Bahnen lenken kann. Doch Kushner ist ein orthodoxer Jude, der streng den Sabbat einhält. Von Sonnenuntergang am Freitag bis Sonnenuntergang am Samstag darf nicht gearbeitet werden, auch elektronische Geräte dürfen nicht bedient werden.
Geladene 24 Stunden
"Und wenn es auch noch früh in der Amtszeit von Trump ist: Dieser kurze Zeitraum (der Sabbat, Anm.) war bisher immer besonders geladen", schreibt das Magazin "Vanity Fair" und ruft in Erinnerung, dass der Präsident am Tag nach der Inauguration, am Samstag, persönlich bei der Park-Verwaltungsbehörde angerufen habe, um sich nach der Größe der Besucherzahl zu erkundigen. Danach holte er bei einem Besuch im CIA-Hauptquartier zu einem verbalen Rundumschlag aus und beklagte sich über die mediale Behandlung. Dann schickte er seinen Pressesprecher Sean Spicer vor die Journalisten, um die falsche Aussage zu machen, Trumps Inauguration hätte die meisten Besucher in der Geschichte angezogen. Während all das passierte, fehlte Kushner - und mit ihm die Appelle zur Mäßigung. "Meines Erachtens ist das kein Zufall", zitiert "Vanity Fair" eine Person aus Kushners Umfeld. Am Sonntag war Kushner dann wieder im Weißen Haus - und Trump twitterte versöhnlich, dass "friedliche Proteste ein Zeichen von Demokratie" seien.
Der Erlass, der die Flüchtlingseinreise stoppte, kam ebenfalls zu einer Zeit, als Trumps Chefstratege Stephen Bannon, mit bekannt rechtsnationaler Gesinnung, praktisch ungestört walten konnte. Der ehemalige Chefredakteur der umstrittenen Breitbart-News-Webseite hatte im November nach der Wahl seine Idole folgendermaßen aufgezählt: "Dick Cheney. Darth Vader. Satan. Das ist Macht. Es hilft uns nur, wenn die (die Liberalen, Anm.) falsch liegen. Wenn sie blind sind, für das, was wir sind und was wir tun."
Noch im Dezember hatte Kushner seinen Schwiegervater bei einem Meeting mit 400 Top-Managern aus der Technologie-Branche verteidigt. Es sei leicht, Trump "aus der Ferne zu hassen", aber er sei aus der Nähe betrachtet viel moderater. Und natürlich würde Trump trotz der Wahlkampf-Rhetorik über den Bau einer Mauer und einem Einreiseverbot für Moslems eine "rationale" Position bei Migration einnehmen.
Kushner hatte sich auch ins Zeug gelegt, damit sich Trump und Mexikos Präsident Enrique Pena Nieto persönlich zur Aussprache treffen. Doch dann ließ es sich Trump nicht nehmen, Pena Nieto vergangene Woche auszurichten, er brauche gar nicht kommen, wenn er nicht bereit sei, die Mauer zu zahlen. Das war allerdings an einem Donnerstag, der Sabbat hatte noch nicht begonnen. Das Treffen zwischen Pena Nieto und Trump ist bekanntlich geplatzt. Jared Kushner hätte laut Beobachtern erstmals richtig zornig gewirkt.