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Donald Trump - ein verrücktes Jahr

Von Michael Schmölzer

Politik

Am 8. November 2016 wurde der Tycoon zum US-Präsidenten gewählt. Seither hat er sich selbst torpediert.


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Wien. In der Nacht vom 8. auf den 9. November 2016 wurde Donald Trump zum 45. US-Präsidenten gewählt. Die Welt rieb sich ungläubig die Augen, die Demokraten unter ihrer Spitzenkandidatin Hillary Clinton trugen sich mit dem Gedanken, das Votum anzufechten. Gerüchte um von den Russen manipulierte Wahlmaschinen machten die Runde. Andere meinten, Clinton haben die Wahl trotzdem gewonnen, immerhin hatte sie tatsächlich rund zwei Millionen Stimmen mehr als Trump. Es half alles nichts.

Zwölf Monate sind vergangen und die meisten, so scheint es, haben sich an den Mann mit blond gefärbter Helmfrisur und den geschürzten Lippen noch immer nicht so richtig gewöhnt. Lange hatte man sich über den politisch völlig unerfahrenen Baulöwen lustig gemacht. Wenige Wochen vor der Wahl, als seine Beliebtheitswerte sprunghaft angestiegen waren, schlug das Lachen in Empörung um. Als ein Monat vor der Wahl Trumps "Locker Room Talk" bekannt wurde, war für Beobachter klar: Der wird es nicht, der kann es nicht werden.

"Wenn du ein Star bist, lassen sie dich machen"

Zur Erinnerung: In einem von der "Washington Post" aufgedeckten Video aus dem Jahr 2005 hatte Trump sich mit einem Moderator darüber ausgetauscht, wie er Frauen ins Bett bekommt. Das Zitat "Grab them by the pussy" wurde besonders bekannt, da Trump der Meinung war, als prominenter Mann Frauen einfach zwischen die Beine fassen zu dürfen.

In Zeiten von #MeToo ist es fast nicht mehr nachvollziehbar, wie ein Politiker einen derartigen Skandal überleben kann. Trump überlebte ihn, rechtfertigte sich. Es habe sich um ein ganz normales Männergespräch gehandelt, wie es in Umkleideräumlichkeiten nun einmal Tradition sei. Es gab unter #notokay einen wütenden Proteststurm US-amerikanischer Frauen, letztlich blieb die Sache ohne Folgen.

Derzeit stolpern Politiker in der EU und in Österreich sowie Prominente aus der Filmbranche der Reihe nach über sexuelle Übergriffe, begangen in der Vergangenheit. Tausende Frauen meldeten sich, berichteten von Belästigungen.

Im Oktober 2016 hatte derartiges keinen Einfluss auf Trumps Präsidentschafts-Ambitionen. Er sei "automatisch angezogen" von Frauen, verrät er in dem Video und fange einfach an, sie zu küssen. "Wenn du ein Star bist, lassen sie dich machen", so der Wortlaut des Videos.

"Das ist Rape Culture", empörte sich damals eine aufgebrachte US-Managerin via Twitter. Doch Trump tat, was er in derartigen Fällen immer tut: Er drehte den Spieß um, trat mit drei Frauen auf, die ihrerseits Ex-Präsident Bill Clinton beschuldigten, sie sexuell bedrängt zu haben.

In der Folge schoss sich Trump auf die "Political Correctness" als Synonym für die herrschende Klasse in Washington ein und hatte einmal mehr die Sympathien auf seiner Seite. Seine glücklose Konkurrentin Hillary Clinton wies darauf hin, dass Trump charakterlich und psychisch nicht in der Lage sei, die Verantwortung über das gesamte US-Atomwaffenarsenal zu übernehmen. Viel wurde über Trumps Geisteszustand gerätselt, von berufener Seite mehr als einmal eine ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung attestiert.

Der renommierte deutsche Politologe Gary S. Schaal meinte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", er vermute, dass sich Trump keinesfalls einfach dumm stelle. "Ich habe die große Befürchtung, dass Donald Trump da authentisch ist", so Schaal. Denn "ich bin der Meinung, dass sich niemand so konsistent dumm stellen kann".

Wer auf eine Wesensänderung Trumps nach der Angelobung im Jänner 2017 spekulierte, der irrte gewaltig. Trump erfüllte weiter alle Erwartungen, die seine Fans in ihn setzten. Er blieb im Wahlkampf-Modus, prahlte, hetzte und bog die Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit.

Ein Schockerlebnis war für viele Trumps Inaugurations-Rede, die das Staatsmännische völlig vermissen ließ und in der Trump weiter das Establishment geißelte. Ein weiterer negativer Höhepunkt war Trumps erste Rede vor der UN-Vollversammlung, die als aggressiv und hasserfüllt von einer Mehrheit abgelehnt wurde. Applaus kam äußerst spärlich, etwa von Israels Premier Benjamin Netanjahu.

Erschlagen von den politischen Institutionen

Ab Jänner 2017 bewies Trump, dass er das politische Spiel in Washington in keiner Weise durchschaut hat. Mit viel Verve machte er sich daran, per Erlass Bürger aus ausgewählten muslimischen Staaten an der Einreise in die USA zu hindern. Groß war die Wut des Neo-Präsidenten, als Gerichte seine Entscheidungen einfach aushebelten. Das Gleiche widerfuhr Trump zuletzt beim Versucht, ein Transgender-Verbot in der US-Armee zu etablieren. Zunächst wurde das Verbot von der Heeresleitung einfach ignoriert, dann von einem Gericht für ungültig erklärt.

Das war der selbstherrliche Konzernherr aus seiner bisherigen Praxis nicht gewohnt. Auch Trumps Lieblingsprojekt im Wahlkampf, der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, scheiterte an den Niederungen des politischen Alltags. Von dem versprochenen Bau steht bis heute kein einziger Stein, denn so eine Mauer ist teuer und muss vom Kongress abgesegnet werden. Mexiko hatte ebenfalls keine Lust, die Finanzierung zu übernehmen, und als Trump die Drogenbarone offiziell zur Kasse bitten wollte, gab es auch hier eine Abfuhr.

Auch aus einer möglichen innigen Partnerschaft mit Russland wurde nichts. Moskau hatte nachweislich Geheimdienste und sonstige Hebel in Bewegung gesetzt, um Trump ins Weiße Haus zu hieven. Es gab bereits die Befürchtung, Trump könnte Putin die gesamte Ukraine überlassen und die Sicherheitsarchitektur, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg bestand, einfach über den Haufen werfen. All das trat nicht ein, im Gegenteil: Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist kompliziert und angespannt wie selten zuvor. Die Trump-Administration ist wegen zahlreicher geschäftlicher Verbindungen zu Russland massiv unter Druck, ein Sonderermittler, Robert Mueller, geht möglichen Verfehlungen und Unvereinbarkeiten nach. Das ist unangenehm für Trump, der nun betont auf Distanz zu Russland geht.

Ein weiteres Charakteristikum der bisherigen Amtszeit Trumps ist das stete Kommen und Gehen im Weißen Haus, ein Reigen an Absetzungen und Neuberufungen. So musste der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn den Hut nehmen, als er im Zusammenhang mit seinen Russland-Kontakten der Lüge überführt worden war. Dann feuerte Trump FBI-Chef James Comey - offenbar deshalb, weil dieser zu wenig Loyalität an den Tag legte. Es folgten der ultrarechte Chefstratege Steve Bannon, Kurzzeit-Kommunikationsdirektor Anthony Scaramucci, und Pressesprecher Sean Spicer. Auch Stabschef Reince Priebus war bald weg.

Mit seinen verbliebenen Ministern hat der US-Präsident auch keine rechte Freude. Von US-Justizminister Jeff Sessions ist er enttäuscht, weil sich dieser in der Russland-Affäre für befangen erklärt und die Agenda in dieser Sache seinem Vize übergeben hat. Mehr als einmal hat Trump klargemacht, dass Sessions nicht mehr sein Vertrauen genießt. Das Verhältnis zu Außenminister Rex Tillerson gilt als gespannt. Immerhin soll Tillerson Trump vor Zeugen einen "Idioten" genannt haben. Trump, der leicht zu kränken ist, bot Tillerson daraufhin einen vergleichenden Intelligenztest an.

Trotzdem kommt Tillerson gemeinsam mit dem aktuellen Stabschef des Weißen Hauses, John Kelly, eine Art Aufpasser-Rolle für Trump zu. Beide konnten durchsetzen, dass der US-Präsident die USA nicht aus dem Atomdeal mit dem Iran herauslöst. Das hat den einflussreichen republikanischen US-Senator Bob Corker bewogen, das Weiße Haus als "Tagesbetreuungsstätte für Erwachsene" zu bezeichnen.

Trump hat es geschafft, trotz einer sicheren Mehrheit im US-Kongress regelmäßig an den beiden Kammern zu scheitern. Einen erbitterten Gegner hat er nicht nur in Senator Corker, sondern auch in Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain. Trump hatte dem Republikaner und Vietnam-Veteranen zum Vorwurf gemacht, dass dieser sich einst vom Vietcong gefangen nehmen ließ. Seitdem revanchiert sich McCain bei jeder Gelegenheit.

Und so war es nicht zuletzt McCain, der Trumps Vorhaben, die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama rückgängig zu machen, zu Fall brachte. Obamacare ist nicht abgeschafft und ein neues System nicht in Sicht.

Schleichender Umbau der USA durch Trump

Was nicht heißen soll, dass Trump und seine Helfer nicht einen schleichenden Wandel der USA vorantreiben. Es wird im kleinen und größeren Maßstab dereguliert, Umweltschutzauflagen aufgehoben. International hat Trump den Prozess des Ausstiegs aus dem Pariser Klimaschutzabkommen begonnen, 2020 soll der völlige Rückzug perfekt sein. Und ein erster Vorschlag zur weitreichendesten Steuerreform der letzten Jahrzehnte liegt auf dem Tisch. Er wird so nicht beschlossen, dass es künftig große Steuererleichterungen vor allem für Unternehmen und Mittelstandsfamilien geben wird, ist aber wahrscheinlich. Wo die Steuerausfälle wieder hereinkommen sollen, steht freilich in den Sternen.

Bis Weihnachten 2017 will Trump das Steuergesetz unterschrieben haben.

Leitartikel: Die Folgen des 8. November