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Donald Trump missachtet George Washingtons Mahnung

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".
© privat

Einerlei, wer am 8. November - die Verfassung zähmt den US-Präsidenten mit straffem Zaumzeug.


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"Sprich weder im Scherz oder Ernst verletzende Worte, verspotte niemanden und trage anderen deine Meinung bescheiden vor." Dieser Satz des ersten US-Präsidenten George Washington disqualifiziert den Republikaner Donald Trump moralisch für die Präsidentschaft, zumal sich einer Erhebung der "Washington Post" zufolge schon an die 150 prominente Republikaner von ihm losgesagt haben. Trumps Selbstinszenierung als egomaner und vulgärer Macho, der sich mit sexuellen Übergriffen und cleverer Steuervermeidung brüstet, ist ein krasser Fall von "unamerican activities".

In der Geschichte der USA hatten die Bürger noch nie die Wahl zwischen "unbeliebt" und "noch unbeliebter". Je 70 Prozent der Amerikaner halten Trump für unehrlich und Hillary Clinton für nicht integer. Abgesehen vom Wirbel, dass sie als Außenministerin Amtspost über ihre private E-Mail abwickelte, kreidet man der Demokratin an, Großspenden für ihren Familienfonds unter anderem von arabischen Ölprinzen und Großkonzernen anzunehmen. Auch gilt sie als "typisch" für das elitäre Establishment in Washington. Zudem nimmt sie von Wall-Street-Bankern fürstliche Vortragshonorare an.

Es geht um 95 Wahlmänner in den "Swing States"

Die mit Unsachlichkeit gespickte jüngste TV-Debatte gewann Clinton deutlich, landesweit führt sie nach jüngsten Umfragen mit vier Punkten, in den zehn "Swing States" sogar mit bis zu zehn Punkten. "Wechselwähler-Staaten" sind jene, die nach traditionellem Wahlverhalten weder Republikanern noch Demokraten zuzuordnen sind. Sie erhalten die Spannung bis zum Wahltag am
8. November.

Nach dem US-Wahlsystem wählen die Bürger den Präsidenten indirekt über 538 sogenannte Wahlmänner. Diese Anzahl entspricht den 538 Mitgliedern des Kongresses. Im Senat halten die Republikaner 54 Mandate und die Demokraten 46, im Repräsentantenhaus steht es 247 zu 188, mit 3 vakanten Mandaten. In den einzelnen Wahlkreisen fallen dem Gewinner nach dem Mehrheitswahlrecht alle Stimmen zu, jene für den Unterlegenen verfallen. Dieses System schafft klare Mehrheiten, lässt aber Kleinparteien nicht aufkommen.

Die "Swing Staaten" stellen zusammen 95 von 538 Wahlmännern, die Wahlen auf jede Seite kippen können. Das gilt zumal für Florida (29 Wahlmänner) und Ohio (18), in denen der Wahlkampf besonders intensiv geführt wird. Ein Zahlenspiel zur Bedeutung dieser zehn Staaten: Clinton müsste 82 Wahlmänner hinzugewinnen, um die Mehrheit von 270 zu schaffen, Trump dürfte 31 Wahlmänner verlieren, um die republikanische Mehrheit von 270 zu retten.

Die "Herrschaft des Rechts" teilt die Macht ausgewogen auf

Manchen mögen Grausbirnen bei dem Gedanken aufsteigen, dass Trump später im Weißen Haus so agieren könnte wie jetzt im Wahlkampf. Diesem Risiko beugten die 13 amerikanischen Kolonien 1776 in ihrer Unabhängigkeitserklärung mit der Begründung vor, dass der englische König unter anderem seine Macht missbrauche und Recht breche.

Die Konsequenz daraus steht in der Verfassung von 1787: Es gilt die "Herrschaft des Rechts" und nicht die eines Königs oder Präsidenten. Die Macht ist ausgewogen auf Gewalten und deren wechselseitige Kontrolle verteilt. Die "Herrschaft des Rechts" etabliert der Kongress als Gesetzgeber, der die Balance zwischen den Vertretern des Volkes (Repräsentantenhaus) und der Bundesstaaten (Senat) halten muss.

Kriege erklären, internationale Verträge abschließen, Höchstrichter bestellen - all das obliegt dem Kongress, der auch den Präsidenten bei Verstößen gegen Gesetz und Verfassung absetzen kann. Der Präsident muss ihm das Jahresbudget vorlegen. Er darf zwar Gesetze durch Veto blockieren, der Kongress kann es aber mit Zweidrittelmehrheit aufheben. Er darf keine Gesetzesvorlagen einbringen, das müssen Abgeordnete für ihn tun. Kurzum: Den angeblich stärksten Mann der Welt zähmt ein straffes Zaumzeug. Er kann nicht gegen den Kongress, sondern nur mit ihm regieren.

Das mildert aber nicht die Sorgen angesichts eines möglichen US-Präsidenten Donald Trump.