)
Der geplante Wiener Lobau-Tunnel gefährdet ein wichtiges Naturschutz- und Naherholungsgebiet.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Zwecks Hochwasserschutz und mittels "Donaudurchstich" wurde 1870 bis 1875 die erste Wiener Donauregulierung vorgenommen, wobei das Aushubmaterial zur Zuschüttung der Donauarme, zur Abdämmung des Überschwemmungsgebietes und zum Bau des Marchfelddammes benutzt wurde. 1972 bis 1987 erfolgte die zweite Wiener Donauregulierung, indem das rund 475 Meter breite Überschwemmungsgebiet in ein 210 Meter breites Entlastungsgerinne (Neue Donau) und die mit Aushubmaterial aufgeschüttete Donauinsel umgewandelt wurde. So sind im 19. und 20. Jahrhundert tausende Hektar Auwald in und nahe bei Wien verloren gegangen. Dabei erfüllen sie eine äußerst wichtige ökologische Funktion hinsichtlich Biodiversität.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich am rechten Donauufer der Donauhandel (Handelskai), wofür die Donauuferbahn (1876 bis 1880) sowie Schiffsanlegeplätze, Lagerhäuser und Straßenverbindungen errichtet wurden. Das linke Donauufer wurde im Laufe der Zeit zugunsten des Straßenverkehrs verbaut. Die Verbindung zwischen Linz und Wien, teils Hauderer-Straße und später Donau-Straße (B3) genannt, zog mit ihrem Ausbau immer mehr Verkehr an (worunter besonders Stockerau und Korneuburg, aber auch Teile Wien-Floridsdorfs litten), sodass im Laufe des 20. Jahrhunderts eine mehrspurige Straße gebaut wurde. Das Teilstück zwischen Stockerau Nord und Korneuburg Ost der heutigen Autobahn wurde 1969 bis 1971 als vierspurige Schnellstraße S3 errichtet. 1981 wurde die sechsspurige Verlängerung von Korneuburg Ost bis zur Floridsdorfer Brücke in Wien eröffnet. 1989 wurde das letzte Teilstück von der Reichsbrücke bis zur Anschlussstelle Kaisermühlen dem Verkehr übergeben.
Hainburg 1984 und der Nationalpark Donau-Auen

Flussabwärts sollte bei Hainburg das größte österreichische Donaukraftwerk in den Stopfenreuther Auen errichtet werden. 1983 erreichte die Österreichische Donaukraftwerke AG eine Erklärung des Kraftwerks zum "bevorzugten Wasserbau" durch die oberste Wasserrechtsbehörde. Dagegen protestierten Naturschützer und Teile der Österreichischen Hochschülerschaft, sie besetzten Anfang Dezember 1984 die Stopfenreuther Auen und erzwangen die Einstellung der Rodungsarbeiten.
Nachdem die Auen zum Sperrgebiet erklärt worden waren, kam es Mitte Dezember 1984 unter Polizeibewachung zur Rodung mehrerer Hektar Auwald. Bei Zusammenstößen zwischen 800 Gendarmen und Polizisten samt Hundestaffeln und etwa 3.000 Aubesetzern wurden zahlreiche Personen verprügelt und verletzt. Zeitgleich demonstrierten in Wien bis zu 40.000 Menschen gegen das Vorgehen der Bundesregierung und den Kraftwerksbau.
Knapp vor Weihnachten 1984 verhängte die Bundesregierung einen Rodungsstopp und verkündete unter dem Druck der öffentlichen Meinung sowie einiger einflussreicher Medien (insbesondere der "Kronen Zeitung") einen Weihnachtsfrieden. Anfang Jänner 1985 erklärte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) weitere Rodungen bis zum Abschluss des laufenden Beschwerdeverfahrens für unzulässig. Anfang 1986 hob der VwGH den Wasserrechtsbescheid für das Kraftwerk Hainburg auf.
Daraufhin bemühten sich Umweltorganisationen über Jahre hindurch für die Schaffung eines Nationalparks in den Donau-Auen östlich von Wien. Umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeitigten überraschende Entdeckungen. So konnten in der Donau weit mehr Fischarten festgestellt werden, als zum Zeitpunkt der Kraftwerksplanungen bekannt waren. Es dauerte jedoch nach den Auseinandersetzungen von Hainburg 1984 insgesamt zwölf Jahre, bis 1996 die Auenlandschaft zwischen Wien und der Staatsgrenze zum Nationalpark Donau-Auen erklärt wurde. Das heutige 9.600 Hektar große Schutzgebiet (davon etwa 65 Prozent Auwald-, 15 Prozent Wiesen- und 20 Prozent Wasserflächen) beherbergt 700 höhere Pflanzenarten, mehr als 30 Säugetier- und 100 Brutvogelarten, 8 Reptilien- und 13 Amphibienarten sowie an die 60 Fischarten. Zudem sind die Donau-Auen ein beliebtes Naherholungsgebiet

Gefährdete Grundwasserströme
Der 1997 von der Weltnaturschutzorganisation IUCN international anerkannte Nationalpark erstreckt sich über die Bundesländer Wien und Niederösterreich, wobei die Lobau mit einer Fläche von rund 2.300 Hektar den Wiener Anteil des länderübergreifenden Nationalparks bildet. Während Teile der Wiener Bevölkerung das hart verbaute Entlastungsgerinne (Neue Donau) und die Donauinsel zwecks Erholung aufsuchen, bevorzugen Naturisten die noch relativ naturnahe Lobau mit ihren (nach der Donauregulierung nur noch wenig übrig gebliebenen) Lacken wie etwa der Dechantlacke und der Panozzalacke.
Doch nun besteht auch für die letzten Reste der Lobau (der Name bedeutet "Wasserwald") eine immense Gefahr, da die Asfinag im Jahr 2009 den Antrag auf Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und Erlassung eines Genehmigungsbescheides für den Teilabschnitt Schwechat-Süßenbrunn der Wiener Außenringschnellstraße (S1) gestellt hat. Es laufen noch etliche teilkonzentrierte Genehmigungs- und Beschwerdeverfahren, da einige Bürger, Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen Einwendungen, Beschwerden und Revisionen gegen das umstrittene Großbauprojekt (mit einem mehrspurigen Tunnel unter der Donau und durch die Lobau) erhoben haben.
"Alliance For Nature" ist zum Beispiel der Ansicht, dass das Genehmigungsverfahren von Beginn an unter falschen Voraussetzungen durchgeführt wurde. Denn man geht fälschlicherweise davon aus, dass sich der Nationalpark Donau-Auen nur an beziehungsweise über der (Erd-)Oberfläche befinde. Tatsache ist jedoch, dass der Nationalpark Donau-Auen einen Lebensraum darstellt, der sich auch tief in den Untergrund, also bis in die mehrfach übereinander liegenden Grundwasserhorizonte, erstreckt.
Die Umweltorganisation vertritt auch die Ansicht, das gesamte Bauvorhaben verstoße gegen das Wiener Nationalparkgesetz, die Wiener Nationalparkverordnung und die Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz zwischen dem Bund und den Ländern Wien und Niederösterreich zur Errichtung und Erhaltung des Nationalparks Donau-Auen. Außerdem widerspreche es den Zielsetzungen des Europaschutzgebietes Donau-Auen samt den damit verbundenen EU-Richtlinien (Vogelschutzrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie, Fauna-Flora-Habitatrichtlinie etc.).
Das "Forum Wissenschaft & Umwelt", bestehend aus namhaften Wissenschaftern aus mehreren verschiedenen natur- und verkehrswissenschaftlichen Fachdisziplinen, hat in seinen Einwendungen an das Verkehrsministerium unter anderem festgehalten: "Die Auswirkungen insbesondere auf den Nationalpark Donau-Auen sind unvorhersehbar. So sind insbesondere Änderungen der Grundwassersituation durch Aufstauungen mit gleichzeitiger Absenkung des Grundwasserniveaus an anderen Stellen zu erwarten. Aufgrund der nicht prognostizierbaren Grundwasserströme und der in der Umweltverträglichkeitserklärung beschriebenen uneinheitlichen Grundwassersituation in diesem Gebiet sind die Auswirkungen solcher Veränderungen des Grundwasserspiegels völlig unabsehbar. Es ist davon auszugehen, dass dadurch gravierende negative Auswirkungen auf Fauna, Flora und Habitate entstehen werden, die nach Fertigstellung des Tunnelbaus nicht mehr reversibel wären."
Ausbau der Autobahn auf Kosten der Stockerauer Au?
Anfang des heurigen Jahres ließ Klimaschutz- und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) per Feststellungsbescheid verkünden, für den Ausbau der Donauuferautobahn (A22) bei Stockerau sei keine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig, obwohl davon das Europa- und Vogelschutzgebiet Tullnerfelder Donau-Auen, das Naturschutzgebiet Stockerauer Au sowie das Landschaftsschutzgebiet Donau-March-Thaya-Auen mit Eichen-, Ulmen- und Eschen-Auwäldern - Lebensräume zahlreicher geschützter Tierarten - betroffen sind. Wie bereits im vorigen Jahrhundert sollen abermals wertvolle Auenlandschaften dem motorisierten Verkehr geopfert werden. "Alliance For Nature" hat deshalb Beschwerde auch gegen dieses Straßenbauvorhaben erhoben, um der Natur ihre Stimme zu geben.