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Doping unter olympischer Fahne

Von Tamara Arthofer

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Tamara Arthofer
Tamara Arthofer leitet das Sportressort der "Wiener Zeitung".

Der Fall des russischen Curlers Alexander Kruschelnizki bringt das IOC in die Bredouille.


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Im Netz hagelt es Häme: "Den Besen frisiert?" - "Mit Meister Proper gedopt?" - Und: "Jetzt ist nicht einmal Bodenwischen sauber." So und so ähnlich lauten die Kommentare, nachdem am Sonntag bekannt geworden ist, dass ein russischer Curler in der A-Probe positiv auf die verbotene Substanz Meldonium getestet worden war. Natürlich wäre Curling jetzt nicht unbedingt der erste Sport, der einem in den Sinn kommt, wenn man an Doping denkt. Doch selbstverständlich kann auch dort Doping zur direkten oder indirekten Leistungssteigerung beitragen, sei es zur Verbesserung der Ausdauer oder auch einfach nur zur schnelleren Regeneration, womit eine Verbesserung der Konzentration einhergehen kann. Auch in der Vergangenheit gab es schon Doping-Fälle im Curling, das letztlich halt nicht nur ein olympischer Pausenfüller ist, sondern auch nur eine Sportart wie viele andere. Anstatt sich also in undifferenzierter Häme darüber zu ergehen, sollte man eher die Rolle des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hinterfragen. Dieses hatte angesichts des russischen Staatsdoping-Skandals das Nationale Olympische Komitee zwar suspendiert und Russland per se von den Spielen ausgeschlossen, "nachweislich sauberen Athleten" aber nach Einzelfallprüfungen die Teilnahme ermöglicht. Der Deutsche (und an und für sich Russland-freundliche) IOC-Chef Thomas Bach hatte all sein diplomatisches Geschick aufgewendet, um zwar einerseits eine Null-Toleranz-Politik zu predigen, andererseits aber das sportpolitisch mächtige Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin nicht allzu sehr vor den Kopf zu stoßen. Als Strafe durften die Russen bisher nicht als "Russen" und mit russischen Symbolen, aber unter dem kreativen Titel "Olympische Athleten aus Russland" unter neutraler olympischer Fahne an den Start gehen. Für den Fall, dass sie sich an die Spielregeln halten, wurde auch eine Aufhebung der Sanktionen noch vor Beendigung der Spiele in Aussicht gestellt. Bis zum Montag galt eine solche als wahrscheinlich, womit einem Einlaufen eines Teams Russland, das dann auch offiziell die eigene Fahne hätte schwenken dürfen, bei der Schlussfeier nichts im Wege gestanden wäre. Noch im Vorfeld der Spiele hatte Bach verkündet, jene 168 Sportler, die das IOC zugelassen hatte, wären "Botschafter einer neuen Generation". Damit hat er sich von vornherein weit aus dem Fenster gelehnt, ungeachtet dessen, ob sich der Verdacht gegen den Mixed-Bronzemedaillengewinner Kruschelnizki erhärtet oder nicht.

Freilich, einen positiven Test kann man nie ausschließen. Doch bei einem Fall im russischen Team ist die Causa angesichts der Vorzeichen heikler. Werden die Sanktionen aufgehoben, würde Bach seine salbungsvollen Worte selbst ad absurdum führen. Bleiben sie über die Schlussfeier hinweg aufrecht, ist nicht nur eine weitere Eskalation im Konflikt mit der Sportgroßmacht Russland programmiert, sondern es wird auch ausgerechnet jene Nation, die von einem von bisher nur zwei Dopingfällen betroffen ist (die erste war Japan durch Kei Saito), unter Olympischer Flagge an der Zeremonie teilnehmen. Und das wäre dann wirklich etwas für Anhänger gepflegter Schadenfreude.