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Doppelmoral und Snack-Solidarität

Von Tamara Arthofer

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Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

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Die Sau, die derzeit durchs Twitter-Dorf getrieben wird, ist also ein Stück Teig gefüllt mit Fleisch. Und dabei kommt manch einer wohl nicht umhin, sich zu denken: Die Sau tut mir leid. Denn die Fleischtasche, die’s in Kontinentaleuropa eh schon schwer hat gegen Kulinarik-Konkurrenz à la Burger und Würstl, hat nun ihre Unschuld verloren - ähnlich wie es dem artverwandten Apple Pie seit dem Film "American Pie" ergeht. Doch sie musste für die unrühmliche Aufmerksamkeit nicht einmal zweckentfremdet werden; ein gewisser Wayne Shaw hat sie einfach gegessen. Man muss Shaw nicht kennen; er ist 46 Jahre alt und Ersatztormann beim englischen Fünftligisten Sutton. Doch seit das TV den 150-Kilo-Mann vor wenigen Wochen essend auf der Bank sitzend gezeigt hat, ist er Kult. Vor dem FA-Cup-Spiel gegen Arsenal wurden Shaw-Devotionalien angeboten, Medien von Russland bis Mexiko interessierten sich für ihn. Und dann hat er es wieder getan: Gegen Ende des Spiels (0:2), als alle Wechsel vollzogen waren, biss er herzhaft in den Snack. Blöd nur, dass darauf Wetten bei Sun Bets abgegeben werden konnten (und einige Freunde Shaws das angeblich auch taten). Der Rücktritt und Ermittlungen waren die Folge - obschon das alles mehr über rasche Berühmtheit und die Absurdität von Wettangeboten aussagt als über Shaw. Doch noch ist nicht aller Tage Abend: Der Goalie, der einen einwandfreien Charakter haben soll, wird im Netz gefeiert, die Fußball-Doppelmoral angeprangert, Solidaritätsgruppen formieren sich. Vielleicht ergibt sich so ja auch die Chance auf Ehrenrettung für die Fleischtasche. Der Apple Pie hatte eine solche nie.