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Doppelpass mit links

Von Brigitte Pechar

Politik

Meinungsforscher Bachmayer: ÖGB im Wahlkampf linker Flügelstürmer für SPÖ.


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Wien. "Ob die Gewerkschaft rennt oder nicht, kann wahlentscheidend sein." Politikberater Thomas Hofer sieht in der Beziehung zwischen der stärksten Fraktion im Österreichischen Gewerkschaftsbund, der Faktion sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG), und der SPÖ einen eindeutigen Profiteur: die Partei. So gesehen, werde die Sozialdemokratie wohl den einen oder anderen Wunsch der Gewerkschaft erhören müssen.

Heute, Dienstag, Abend beginnt der ÖGB-Bundeskongress, bei dem sich Präsident Erich Foglar der Wiederwahl stellt. Das Motto lautet "Unsere Mission: Gerechtigkeit". Bisher wählte der ÖGB alle vier Jahre seine Repräsentanten, ab jetzt ist die Periode fünf Jahre. Zum Auftakt werden Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann sowie zahlreiche Repräsentanten europäischer Gewerkschaften erwartet. Die Wahl des Vorstandes wird zum Abschluss am Donnerstag erfolgen. Bis dahin wird diskutiert.

Im Leitantrag werden eine Schenkungssteuer ab 150.000 Euro, eine Vermögenssteuer ab 700.000 Euro und Mittel von den Arbeitgebern für Fachkräfteausbildung gefordert. Außerdem will der ÖGB mehr Urlaub und einen Euro Abgabe der Arbeitgeber für geleistete Überstunden. In der Wirtschaftskammer regte sich schon im Vorfeld dazu Unmut. Und die SPÖ hat darauf reagiert und die Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche für alle wieder aus ihrem Wahlkampfkatalog gestrichene. Schließlich will die stärkste Partei im Land in Zeiten der Krise Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht überfordern.

Die Gewerkschaft hatte 2008 - mit dem Bawag-Skandal - eine eklatante Schwächephase. Der damalige SPÖ-Vorsitzende Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wollte Gewerkschaftsfunktionäre sogar aus dem Nationalrat verbannen. Das ist ihm nicht gelungen. Die Krise im ÖGB sieht Politikberater Hofer jetzt für beendet, "die Organisation hat ein ganz neues Auftreten". Aber die Liebe der FSG zur SPÖ sei nicht besonders groß. "Da passt mehr als ein Blatt Papier dazwischen."

Und dennoch werde Kanzler Faymann auf die Gewerkschafter hören müssen, denn es gebe nur noch wenige Organisationen, die so mobilisieren und Wählerstimmen akquirieren können wie den ÖGB. Die SPÖ werde also dem einen oder anderen Wunsch der Gewerkschaft beugen müssen, sagt Hofer. "Faymann muss die FSG schon bei Laune halten. Wenn da die Liebe erkaltet, ist Feuer am Dach."

Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer sieht das so: Der ÖGB nimmt im Wahlkampf die Flügelspielerrolle ein, um links von der SPÖ abzudecken und Wähler hereinzuholen."

Ist die Gewerkschaft - neben der Mobilisierung bei Wahlen - ein starker Faktor in Österreich?

"Ja", sagt Hofer. Allerdings weniger, was seine finanzielle Stärke anlange. Vor dem Bawag-Skandal hatte der ÖGB eine Aura um den sagenumwobenen Streikfonds aufgebaut. Es stellte sich heraus, dass dieser aus nichts anderem als den Bawag-Aktien bestanden hat - also de facto wertlos geworden war. Mittlerweile soll es wieder einen Streikfonds geben, aber mit wie viel Geld dieser bestückt ist, legt der ÖGB nicht offen - schließlich liegt darin das Drohpotenzial in Richtung Arbeitgeber. "Die Vermutung liegt nahe, dass hier ein bisschen Schattenboxen betrieben wird", sagt dazu Meinungsforscher Bachmayer. Der Streikfonds habe sich ins Nichts aufgelöst. Auch die Frage, ob der ÖGB Massen auf die Straße bringen könnte, beantwortet Bachmayer mit nein. "Der ÖGB ist insgeheim froh, wenn er seine Mobilisierungskraft nicht unter Beweis stellen muss." Dass er das nicht müsse, helfe seiner politischen Stärke. Und in Krisenzeiten sei auch kaum damit zu rechnen, dass es zu Streiks komme.

Darin sind die Österreicher insgesamt nicht besonders geübt. Seit Mitte der 1960er Jahre tendiert die Anzahl der Streikminuten in Österreich gegen null. Ausreißer war das Jahr 2003 mit der Pensionsreform unter Schwarz-Blau und den damit verbundenen Demonstrationen und Streiks.

Das Team Stronach würde am liebsten den ÖGB, einen Verein auf Basis freiwilliger Mitgliedschaft, in der gesetzlich verankerten Arbeiterkammer aufgehen sehen. Hier ging der ÖGB-Präsident am Montag in die Offensive: Er halte das Team Stronach für gewerkschaftsfeindlich und daher nicht regierungsfähig: "Wer in einer Demokratie freie Gewerkschaft mit freiwilliger Mitgliedschaft zurechtstutzen will und wer unser Erfolgssystem der Sozialpartnerschaft ganz einfach reduzieren will, der hat in uns einen Gegner."

Bachmayer glaubt, dass so ein "Watschentanz" eher Stronach nützt. Hofer sieht demgegenüber für den ÖGB die Chance, inhaltlich Pflöcke einzuschlagen, Flagge zu zeigen und sich am Feindbild Stronach zu reiben. Damit könne an der Basis emotionalisiert werden.

Der Leitantrag des ÖGB

Für den politischen Gegner ist es "Klassenkampf" (co. Wirtschaftsbund), was - unter Federführung der SPÖ-Fraktion - im Leitantrag zum ÖGB-Kongress steht. Für die Befürworter geht es schlicht um die "Mission Gerechtigkeit".

In dem mehr als 80 Seiten langen Leitantrag hat der ÖGB sein Credo für das Wahljahr zusammengefasst:

Einführung von Erbschafts- und Schenkungssteuer ab 150.000 Euro, die Erträge sollen zur Pflege-Finanzierung dienen;

Wiedereinführung der Vermögenssteuer ab einem "Reinvermögen" von 700.000 Euro sowie die Etablierung einer Wertschöpfungsabgabe, die zur Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds dienen soll;

eine Milliarde für die Fachkräfte-Ausbildung über einen Beitrag der Unternehmen in der Höhe von einem Prozent der Jahresbruttolohnsumme;

sechste Urlaubswoche für alle nach 25 Arbeitsjahren;

Arbeitsmarktabgabe für Unternehmen in Höhe von einem Euro pro geleisteter Mehrarbeits- beziehungsweise Überstunde;

Einführung eines Malus-Modells, wonach zahlen muss, wer für eine bestimmte Branche unterdurchschnittlich wenige Ältere beschäftigt;

Abschaffung des Selbständigen-Modells bei der 24-Stunden-Betreuung;

Asylwerber sollen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt haben;

ja zu Gesamtschule, nein zu Uni-Zugangsbeschränkungen.

Unumstritten sind die Forderungen auch ÖGB-intern nicht: Die ÖVP-nahe FCG-Fraktion geht bei Gesamtschule und Vermögenssteuern auf Distanz.