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Doppelspiel in Türkis-Grün

Von Brigitte Pechar

Leitartikel

Rückenstärkung für Türkis-Grün könnte die EU liefern.


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100 Tage sind zwischen Nationalratswahl und Angelobung der türkis-grünen Regierung, der ersten Bundesregierung in Österreich mit einer Beteiligung der Grünen, vergangen. Am Freitag haben Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler dem Nationalrat ihr Programm und ihr Kabinett vorgestellt. Es war ein Doppelspiel mit Abgrenzungen. Wobei die Trennlinie stärker von grüner als von türkiser Seite gezogen wurde. So legte Kogler Wert darauf, dass das Regierungsprogramm nicht das Beste aus zwei Welten, sondern aus zwei Weltanschauungen sei.

Das verdeutlichte noch einmal, warum diese Regierungsbildung 100 Tage gebraucht hat. Eine Zeit, die notwendig war, um diesen beiden Parteien mit nicht nur unterschiedlichen, sondern in sehr vielen Bereichen gegensätzlichen Weltanschauungen eine Annäherung zu ermöglichen. Am Beginn der - hoffentlich - fünfjährigen Arbeit kann jedenfalls festgehalten werden, dass ÖVP und Grüne fest entschlossen sind, einen Stil zu finden, der die Unterschiedlichkeit zulässt und dennoch die gemeinsamen Ziele - einen ausgeglichenen Staatshaushalt, eine Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent, eine ökosoziale Steuerreform, Österreich als Umweltmusterland in der EU und der Welt, Schutz der Außengrenzen, mehr Transparenz, Armutsbekämpfung - nicht außer Acht lässt.

Mag sein, dass auch die ÖVP die Aussage von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl, der einzige Kitt für die Regierung sei die Verhinderung der Freiheitlichen in der Regierung, unterschreiben kann. Für die Grünen war das Fernhalten der FPÖ von der Regierung neben der Ökologisierung des Landes sicher ein Hauptargument für das Schlucken so mancher ÖVP-Wünsche zu Migration und Integration.

"Aus Verantwortung für Österreich" ist daher ein sehr treffender Titel für das gemeinsame Regierungsprogramm. Er drückt das Ringen beider Parteien aus, die jeweils anderen Positionen zumindest nicht zu dekonstruieren. Kurz und Kogler haben die Verhandlungen hinter sich gebracht, die aufregenden Tage der Angelobung und nun die Präsentation im Nationalrat. Jetzt geht es darum, den 326 Seiten starken Pakt für Österreich mit Leben zu erfüllen. Schien das Zusammenfinden der Konservativen mit den Ökos schon eine Herkulesaufgabe, werden die Mühen der Ebene erst die wahre Herausforderung.

Rückenstärkung für das noch zarte türkis-grüne Pflänzchen könnte die europäische Dimension liefern. Denn für Kurz eröffnet das Auftreten auf der EU-Bühne ohne FPÖ-Ballast neue Strahlkraft auch außerhalb der Konservativen. Und die Grünen, die der ÖVP in ihrer Liebe zu Europa um nichts nachstehen, können sich der Unterstützung gewiss sein.