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"Doppelter Einsatz" noch in der Lernphase

Von Alfred Abel

Wirtschaft

"Sicher eine Erleichterung für die Arbeitgeber. Aber es kann künftig auch mehr kosten!" Die Rede ist vom geballten Einsatz der Finanz- und Krankenkassenprüfer, die seit Jahresbeginn im Duo bei den Betrieben antraben, um die Lohnverrechnung zu prüfen. Sechs Wochen nach dem übergangslosen Start liegen nun die ersten Erfahrungen mit der Aktion "Gemeinsame Lohnabgabenprüfung" vor. Josef Hofbauer, Schulungsleiter im Finanzministerium, berichtete am Montag vor überfülltem Auditorium über die neue Praxis.


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Prüfungsobjekte sind derzeit nur mittelgroße Betriebe mit etwa 100 Beschäftigten. Sie werden aus den jährlichen Prüfungsplänen der Gebietskrankenkassen ausgewählt, weil bisher nur in diesem Bereich lückenlose Periodenprüfungen üblich sind, während die Finanz bei ihren Lohnabgaben-prüfungen schon mal Jahre ungeprüft ausgelassen hat. Das soll künftig nicht mehr möglich sein: die totalen Anschlussprüfungen sind angesagt.

Start mit Zufallsgenerator

Die Aufteilung der Prüfungsfälle auf die Finanz- und/oder Kassenprüfer erfolgt einvernehmlich im Verhältnis der Personalstände in den beiden Prüferkorps. Wenn etwa in einem Bundesland 40 Lohnsteuerprüfer und 50 Kassenprüfer bereit stehen, dann prüft die Finanz 40/90 oder 44% und die Kasse 50/90 oder 56% der Arbeitgeberbetriebe. Die Erstaufteilung der Prüfungsfälle erfolgt durch Zufallsgeneratoren. Für etwaige Kompetenzprobleme ist der in jedem Bundesland eingerichtete "Operative Lenkungsausschuss" (Kosename "Oplaus") zuständig.

Wer zuerst prüft, prüft alles: der Finanzer checkt also nicht nur Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag, sondern gleich auch die Sozialbeiträge und die Kommunalsteuer. Kommt zuerst ein Krankenkassenmann (oder eine Krankenkassenfrau), dann übernimmt er/sie eben das ganze Programm.

Neuland für beide Prüfergruppen ist dabei vor allem die Kommunalsteuer, die tendenziell in das Ressort der Finanz fällt. Hier fehlt es offenbar noch an ausreichender Kooperation mit den Kommunen, die - besonders in Westösterreich - das neue gemeinsame Prüfungssystem durch eigenständige Einzelprüfungen unterlaufen. Eigentlich rechtswidrig, wie Hofbauer betont.

Mit Hilfe von Laptop-Prüfprogrammen wird die betriebliche Lohnverrechnung von den Kontrolloren nach rechtlichen und rechnerischen Fehlern untersucht und analysiert. Dabei scheint die Software-Ausrüstung der Kassenleute den Steuerprüfern derzeit noch etwas überlegen zu sein. Die Anpassung ist im Gange.

Gemeinsamer Prüfbericht

Neben periodischen Routineprüfungen sind auch noch zu-sätzliche Bedarfsprüfungen (etwa bei Insolvenzbetrieben) und besondere Risikoprüfungen vorgesehen, die blitzartig einsetzen, wenn Finanz, Kassen oder Gemeinden Gefahr für ihren Obolus wittern. Unterstützung erhalten sie bisweilen von einer schnellen Eingreiftruppe, die vor allem Bauunternehmen nach "Leichen in der Lohnverrechnung" abklopft.

Am Ende der vereinten Einschau steht ein gemeinsamer Prüfungsbericht, in dem das Revisionsergebnis für alle drei Lohnabgabenbereiche dargestellt werden. Das Elaborat geht an die drei Abgaben-Institutionen, die allerdings jeweils nur ihren eigenen Rechtsbereich würdigen. Diese Oberinstanzen können das Prüfungsergebnis der "Sachverständigen" akzeptieren - oder auch nicht; sie können also vom Prüfungsergebnis abweichen, was vor allem in der Anfangsphase der gemeinsamen Prüfungsaktion denkbar ist, wenn die Prüfer selbst noch in der Lernphase sind.

In Streitfällen zwischen Arbeitgeber und den Abgabenkörper-schaften kann es daher auch drei separate Rechtsmittelverfahren geben - zweifellos ein Schönheitsfehler im System. Ein einheitliches Rechtsmittelverfahren wird zwar angestrebt, ist aber derzeit noch Zukunftsmusik.

Auch die Einholung von Mehrbeträgen, die sich aufgrund der beiden Weisen aus der Lohnabgabenkoalition ergeben, ob-liegt jeder Körperschaft allein. Die Finanz kassiert die Nach-forderungen aus Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen, die Kassen holen ihre Beitragsrückstände ein und die Kommunen müssen sich um die KommSt-Mehrbeträge kümmern: all das zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Säumnisfolgen. Das Eintopf-Inkasso ist von der Gemeinsamkeit noch weit weg.

Prüfer in der Lernphase

Verfahrensgrundlage für die massierte Lohnabgabenprüfung ist übrigens - auch für die Sozialversicherung und Kommunalsteuer - die steuerliche Bundesabgabenordnung. Um die Beurteilung von Prüfungsproblemen und ihre Lösung bundesweit zu vereinheitlichen, plant der Krankenkassen-Hauptverband die Veröffentlichung von Sozialversicherungs-Richtlinien - als Pendant zu den bereits bestehenden Lohnsteuer-Richtlinien.

Etwa 250 Prüfer der Finanz und ungefähr ebenso viele Kassenleute sind also seit Jänner im doppelten Einsatz, um "learning by doing" zu praktizieren. Nicht ohne gelegentlich bei den Betrieben anzuecken. Ein niederösterreichischer Arbeitgeber wollte kürzlich nur einen der beiden einlassen. Begründung: Von zwei Prüfern stehe nichts im Gesetz.

Das Zweipersonen-Teamwork soll freilich nur eine vorüber-gehende Maßnahme sein, etwa bis März dieses Jahres, danach wird jeder Prüfer auf sich allein gestellt sein. Hofbauer begütigend: "Wenn also derzeit zwei vor Ihrer Tür stehen, sollten Sie sie hereinlassen und halt zwei Tassen Kaffee spendieren." Nachsatz: "Die zwei sind ohnehin genug gestraft".