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"Doppelter Hebel" in Osteuropa lässt Gewinne sprudeln

Von Sissi Eigruber

Wirtschaft

Geyer sieht Chance für bessere Rückkaufkonditionen. | Aufteilung der Verkaufskosten über mehrere Jahre. | "Wiener Zeitung":Die Versicherungsbranche ist kürzlich in die Schlagzeilen geraten. Ursache war eine Diskussion um die Gestaltung der Gewinnbeteiligung, welche die Versicherungen an ihre Kunden weitergeben. Die Wiener Städtische hat vergangenes Jahr ihren Gewinn nach vorläufigen Angaben um fast 50 Prozent auf 230 Mio. Euro gesteigert. Schlägt sich das auf ihre Gewinnbeteiligung nieder?


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Günter Geyer: Erstens gab es ein Missverständnis in der Kommunikation zwischen den Versicherungen und der Finanzmarktaufsicht und es liegt inzwischen eine Einigung vor. Zweitens darf ich dieses Thema an einem Beispiel erläutern:

In den Jahren 2002-2004 war die wirtschaftliche Lage am Kapitalmarkt alles andere als rosig. Dennoch haben die österreichischen Versicherungen eine ansprechende Gewinnbeteiligung für ihre Kunden gehabt, weil sie einen Risikoausgleich über die Jahre geschaffen haben. Das heißt, auch wenn in einem Jahr das Ergebnis gut ist, kann nicht alles weitergegeben werden, weil für schlechte Jahre vorgesorgt werden muss.

Wie hoch ist die Gewinnbeteiligung?

In Österreich hat es nie drastische Entwicklungen nach oben - aber dafür auch nicht nach unten gegeben. Auch in schwierigen Zeiten haben faktisch alle 4 Prozent und mehr Gewinnbeteiligung an den Kunden weiter gegeben.

Wer heute eine Lebensversicherung abschließt und nach kurzer Zeit wieder aussteigen möchte, muss mit finanziellen Einbußen rechnen. Diese Rückkaufkonditionen werden von Konsumentenschützer immer wieder beklagt. Ist hier eine Änderung in Sicht?

Versuchen Sie einmal in ein Autogeschäft zu gehen und den Wagen, den sie einen Tag vorher gekauft haben, wieder zurück zu geben. Auch da werden Sie nicht ihr ganzes Geld zurückbekommen.

Aber bei einer Versicherung handelt es sich doch um ein anderes Produkt ...

Ja, aber auch hier kostet der Verkauf etwas und die Frage ist: Wer zahlt diese Kosten? Die Versicherungen zahlen Vermittlungsprämie für den Verkauf einer Versicherung noch im Jahr des Abschlusses aus. Wenn jetzt ein Kundefrühzeitig aus seinem Vertrag aussteigt, und man ihm das Geld zurückzahlt, muss man ihm natürlich diese Kosten abziehen.

Aber es wäre doch möglich die Verkaufskosten auf mehrere Jahre aufzuteilen?

Da muss man uns gesetzlich helfen, dass wir diese Verkaufskosten über mehrere Jahre aufteilen dürfen. Wenn man die Möglichkeit hätte, vom Verkäufer einen Teil der Provision zurück zu verlangen, dann könnte man diese an den Kunden weitergeben. Da sind wir auf dem richtigen Weg. Die Verwaltungskosten hingegen kann er nicht zurückbekommen.

Was raten Sie jemanden, der eine Lebensversicherung hat und in Zahlungsschwierigkeiten gerät?

Fast alle Versicherungen bieten die Möglichkeit an, den Vertrag ruhen zu lassen. Dann muss nichts eingezahlt werden. Und im Einzelfall kann man immer eine Lösung finden.

Die Wiener Städtische ist Eigentümer des Verkehrsbüros. Es heißt, dass es über den geplanten Börsegang Unstimmigkeiten gibt ...

Nein, nicht die geringsten. Bei Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionär gibt es volle Einigkeit darüber, dass man überlegt, ab 2008 an die Börse zu gehen. Die Vorbereitungen dafür sind im Gange.

Die Wiener Städtische erwirtschaftet bereits 30 Prozent ihres Ergebnisses in Osteuropa. Welches Wachstumspotenzial gibt es in Zentral- und Osteuropa noch?

Es gibt eine doppelte Hebelwirkung, weil gleichzeitig der Lebensstandard und die Versicherungsdichte steigen. Das wird sich auch in unseren Ergebnissen drastisch niederschlagen.

Ein Beispiel: Sollte sich die Versicherungsdichte in Zentral- und Osteuropa von derzeit rund 150 US-Dollar pro Kopf auf 300 US-Dollar ändern, dann bedeutet das allein für unser Haus eine Zunahme der Prämien um etwa 2 Mrd. Euro.

Die Städtische gründet gemeinsam mit der Moskauer Versicherung MSK in Russland eine Lebensversicherungsgesellschaft. Wann wird das operative Geschäft dieser Gesellschaft starten?

Voraussichtlich im Mai oder Juni. Die Versicherungen werden dann sowohl über die Moskauer Bank, die fünftgrößte Bank Russlands, als auch über die Moskauer Versicherung, den drittgrößten Sachversicherer Russlands, verkauft.

Ihr Vertriebspartner, die Erste Bank, hat die rumänische Großbank BCR gekauft, zu der auch Versicherungstöchter gehören. Werden Sie der Ersten Bank diese Töchter abkaufen?

Es gibt derzeit noch keine Gespräche, aber ich gehe davon aus, dass wir zur gegebenen Zeit Gespräche führen werden.

Durch die jüngste Kapitalerhöhung hat die Wiener Städtische ihren Streubesitz auf rund 30 Prozent erhöht. Wie wird sich der größere Druck durch den Kapitalmarkt auf das Unternehmen auswirken?

Wenn wir erfolgreich sind, dann werden wir auch eine entsprechende Dividende zahlen, aber die Dividende ist sicher nicht das Wichtigste. Wichtig ist auch die Kursentwicklung. Und der Aktienkurs steigt weiter.

Wo sehen sie das Unternehmen in fünf Jahren und wird der Generaldirektor dann noch Dr. Geyer heißen?

Wir werden die Ausbaustrategie sehr, sehr konsequent fortsetzen und werden wirklich "der" osteuropäische Versicherer werden. Den zweiten Teil der Frage kann ich nicht beantworten, diese Entscheidung trifft der Aufsichtsrat.