Ruf nach Sanktionen wird nach IAEO-Bericht lauter. | Sohn von Oppositionsführer gefoltert. | London/Genf/Wien. Im Atomstreit mit dem Iran wird der Ruf nach Sanktionen lauter. Nach Bekanntwerden eines vertraulichen Iran-Berichts der internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), wonach das islamische Land bereits an einem Atomwaffensprengkopf bauen könnte, drängen vor allem Washington und Berlin auf weitere Strafmaßnahmen gegen Teheran. | Gute Geschäfte trotz Sanktionen
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Das IAEO-Papier listet eine Reihe von verdächtigen Aktivitäten auf. Dazu zählen Arbeiten an nuklearen Sprengstoffen, die für militärische Zwecke genutzt werden könnten. Es ist das erste Mal, dass die IAEO so konkret von einer nuklearen Bedrohung durch den Iran spricht.
US-Vizepräsident Joe Biden kündigte an, sicherzustellen, dass der Iran "wirkliche Konsequenzen" dafür zu spüren bekäme, dass er sich nicht an die internationalen Abmachungen halte. Die neuen Erkenntnisse seien bezeichnend dafür, wie Teheran gegenüber der IAEO agiere, so Biden. Die neuen Sanktionen sollen nach den US-Vorstellungen vor allem die Revolutionsgarden und Milizen treffen. Letztere beherrschen weite Teile der iranischen Wirtschaft, unter anderen kontrollieren sie die Öl-Industrie. An deren Unternehmen hängen hunderttausende Arbeitsplätze.
Von Strafmaßnahmen, die die Bevölkerung indirekt betreffen würden, rät etwa Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi entschieden ab. Die Anwältin, die kurz vor der Präsidentschaftswahl im Juni 2009 ihr Land verlassen hat und seither im Londoner Exil lebt, wird nicht müde, in Konferenzen und Seminaren für die Menschenrechte zu kämpfen. Wo immer sie auftritt, herrscht reges Medieninteresse. Am Freitag bat Ebadi Europa, den politischen Druck auf die iranische Führung zu erhöhen.
"Ich bin gegen wirtschaftliche Sanktionen und gegen militärische Interventionen. Beides geht nur auf Kosten der Menschen, schafft neue Fronten und führt dazu, dass sich die Iraner mit ihrer Regierung solidarisieren. Es muss stattdessen politische Sanktionen geben", forderte die Menschenrechtsaktivistin. Bei Verhandlungen und allen Vertragsbeziehungen mit dem Iran müssten westliche Akteure stets auch auf die Einhaltung der Menschenrechte drängen. Seit Jahren gehe es dem Westen ausschließlich um den Atomkonflikt. "Man fragt sich", so Ebadi, "ob den Europäern nur die eigene Sicherheit, nicht aber die Sicherheit der Menschen im Iran wichtig ist." Was die Wirtschaftbeziehungen betreffe, müssten Waffen und Software, die zur Überwachung der Bürger im Iran eingesetzt werden, ausgespart werden.
"UN-Beobachter für Menschenrechte nötig"
In einem dringenden Bittgesuch forderte sie den UNO-Menschenrechtsrat auf, zu helfen, den Frieden im Iran wieder herzustellen. Ihr Vorschlag: Das 2006 gegründete UN-Gremium solle einen Sonderberichterstatter in den Iran schicken, der dort die Situation verfolge. Es sei Zeit, dass die Regierung dem Volk zuhöre, sonst gäbe es schon bald eine Katastrophe, warnte Ebadi. Die 47 Mitglieder des UN-Gremiums müssen sich alle vier Jahre auf ihre Menschenrechtspolitik prüfen lassen. Der Iran ist heuer zum ersten Mal dran. Am Montag wird beraten. Ein Endbericht soll in den nächsten Tagen herausgegeben werden.
Gänzlich unbeeindruckt von Ebadis Vorstoß wie auch dem Rüffel westlicher Länder im UN-Menschenrechtsrat zeigt sich das Teheraner Regime selbst. Der Iran sei "ein Modell der freundschaftlichen und brüderlichen Koexistenz", der Westen solle deshalb endlich aufhören, die Menschenrechte als politisches Werkzeug zu benutzen", forderte Mohammad Javad Larijani, der iranische UN-Delegationsleiter und Vorsitzender des iranischen Menschenrechtsbeirats.
Indes wandte sich Fatemeh Karroubi, die Frau von Oppositionsführer Mehdi Karroubi, in einem offenen Brief an Irans obersten religiösen Führer Ali Khamenei: Ihr Sohn sei, so der schwere Vorwurf, am Rande der Revolutionsfeiern letzte Woche verhaftet und gefoltert worden. Gemeinsam mit dem Schreiben wurde als Beleg ein Foto des 22-Jährigen mit Misshandlungsspuren veröffentlicht.
"Hinrichtungen sind wichtig und richtig"
In den letzten Monaten wurden hunderte Oppositionelle angegriffen, verhaftet oder gefoltert. Sogar zwei Hinrichtungen wegen Staatsverrats wurden bereits vollstreckt. Weitere Todesurteile sollen in den nächsten Tagen folgen. Dutzende Oppositionelle sind derzeit beim Revolutionstribunal angeklagt und warten auf ihre Verurteilung. Konservative Geistlichen forderten indes beim Freitagsgebet in Teheran ein weiteres hartes Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen die Opposition. Die Hinrichtungen seien "richtig und wichtig", um zu demonstrieren, dass Randalierer die Härte zu spüren bekämen, erklärte etwa der Hardliner Ahmad Jannati.
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