)
Ungarischer Sozialistenchef übt Kritik an Regierungsführung des Premiers.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Budapest. Das Motto klingt bescheiden: "Arbeit, Brot" heißt die Protest-Aktion, die am 6. Februar in der nordungarischen Stadt Miskolc beginnen soll. Die Mittel der Demonstranten sind jedoch drastisch. Mit einem Hungermarsch von 200 Kilometern werden Bürgermeister, Parlamentsabgeordnete und Aktivisten der regionalen Verwaltungseinheit Borsod eine Woche lang gegen die rechtskonservative Regierung demonstrieren. Und die Ziele sind hochgesteckt. Es soll erreicht werden, dass Premier Viktor Orban "endlich aufwacht", sagt Laszlo Toth, Bürgermeister von Alsogagy. Das Kabinett von Orban müsse seine Fehler eingestehen und mit einem schnellen Richtungswechsel den sozial schwachen Ungarn helfen, lautet das Grundmotiv der Initiative.
Dass die Situation in Ungarn Anlass für Kritik biete, meinte auch Attila Mesterházy, Parteivorsitzender der ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP), am Freitag in seinem Gastvortrag an der Diplomatischen Akademie Wien. Wichtige demokratische Grundprinzipien würden in Ungarn nicht beachtet. Einen Rechtsstaat gebe es faktisch nicht, geschweige denn Machtkontrolle und -begrenzung durch gelebte Gewaltentrennung. Gesetze wiederum - wie beispielsweise das neue Wahlgesetz - würden ohne echten Konsens entstehen und vorwiegend Orbans rechtskonservative bürgerliche Partei Fidesz begünstigen.
"Der Regierungschef hat zu viel Macht und setzt sie nicht effizient ein. Orbans Doppelzüngigkeit verunsichert den Wähler", sagt Mesterházy. So kompromissbereit Orban sich in Verhandlungen mit der Europäischen Union auch zeige - seine Rhetorik in Ungarn sei eine andere.
Dennoch setzt Mesterházy auf Zusammenarbeit. "Wir wollen die rechtskonservative Regierung unterstützen." Geeignete Hilfsstrategien für das krisengeschüttelte Ungarn sehen die Sozialisten vor allem in einem Beitritt zum EU-Fiskalpakt und in Kreditvereinbarungen mit der EU und dem IWF.
"Auch die Wirtschaft wird nicht effizient geführt", betont der Ökonom. In Ungarn - wo die Armut steigt - gebe es faktisch kein Wirtschaftswachstum, die Staatsverschuldung sei höher als vor Orbans Amtsantritt. Das Budget sei schlecht ausgearbeitet. "Die ungarische Wirtschaft ist verwundbarer als jene der östlichen Nachbarn", so der Parteivorsitzende.
Die Reformen Orbans wurden von der EU scharf kritisiert. Sie würden EU-Grundrechten widersprechen. Die Kritik wertet Mesterházy aber nicht als Angriff. "Wir haben uns für die EU, für Zusammenarbeit entschieden. Wir müssen diese Kritik akzeptieren, daraus lernen und unsere Glaubwürdigkeit wiedergewinnen", betont der 38-Jährige.
Seine sozialistische Partei stehe für Veränderungen bereit. Aber Ideen brauchen Partner. Und die zu finden, sei derzeit nicht einfach, sagt Mesterházy.