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Oscar Wilde ist eine so schillernde wie tragische Figur der Literaturgeschichte. Und wie man nun sieht, ist er immer noch für Schlagzeilen gut. Mehr als 120 Jahre hat es gedauert, bis jetzt ein findiger Verleger die Originalversion von "Das Bildnis des Dorian Gray" als Buch herausgebracht hat. Das ist jene Fassung, die Wilde 1890 in einem Magazin veröffentlichte und die ihm vernichtende Kritiken eingebracht hat.
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Dass der Text langatmig sei, war aber das geringste Problem der Rezensenten. Die stießen sich nämlich viel mehr daran, dass Wilde ganz offen Homosexualität thematisierte. Ein gutmütiger Verleger überzeugte Wilde, den Roman umzuschreiben, die entschärfte, quasi "entschwulte" Version wurde gedruckt und zum Klassiker.
Das ist schon eine schöne Sache, dass man nachlesen kann, wie sich Oscar Wilde den "Dorian Gray" ursprünglich vorgestellt hat. Aber vor allem für Literaturwissenschafter. Oder auch Büchertouristen, die sich gern an gschmackigen Passagen ergötzen. Ob es der Qualität des Romans, den Wilde ja nicht nur bei den inkriminierten Stellen überarbeitet hat, nützt, sei dahingestellt. Es ist wohl mehr ein schlichtes Symbol im Lifestyle-Zeitgeist, dass Wilde diese vermeintliche Gerechtigkeit widerfährt. Ein effektiveres Zeichen wäre wohl, wenn die Queen den wegen Unzucht verurteilten Schriftsteller postum begnadigen würde. Die hätte doch den Kopf wieder frei für so etwas.
Siehe auch:Oscar Wilde, balkenlos