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Dornbuschfeuer oder doch Mensch aus Fleisch und Blut?

Von Christoph Rella

Analysen

Idee der Menschwerdung Gottes ist revolutionär - und vor allem persönlich.


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Nehmen wir einmal an, es gibt einen Gott. Und er hätte es notwendig, sich den Menschen zu offenbaren. Wie würde er - oder auch sie - das anstellen?

Der Supermarkt der Weltreligionen wartet diesbezüglich mit einigen mehr oder weniger erfolgreichen Angeboten und Vorschlägen auf, wobei ihnen allen eines gemein ist: dass Gott die Welt erschaffen hat, in ihr ist und wirkt. Für Animisten oder Anhänger der Esoterik reichen daher, um es salopp zu sagen, Sonne, Mond und Sterne als Erklärung vollkommen aus. Und für Gott erst recht. Er macht weder viele Worte, noch hält er sich einen institutionell organisierten Parteienverkehr.

Statt in Form passiver Energie kommen dagegen die etablierten monotheistischen Offenbarungen sehr viel kommunikativer daher - schließlich ist die persönliche Ansprache ein wesentliches Element jeder erfolgreichen Verkaufsstrategie. Allerdings ist die Benutzerfreundlichkeit je nach Gottesverständnis sehr unterschiedlich. Es gar nicht erst auf ein persönliches Erscheinen angelegt hat es etwa der Gott der Muslime: Er zog es vor, das Faktum seiner Existenz über einen Mitarbeiter, den Engel Gabriel, ausrichten zu lassen. Inklusive einer vom Propheten mitstenographierten "Gebrauchsanleitung" für die Erde: den Koran.

"Ich bin der ‚Ich bin da‘", sagte Gott zu Mose

Den direkten Kontakt, wenn auch nur zu einem kleinen privilegierten Kreis an Gläubigen, gesucht hat hingegen bereits 2000 Jahre früher der Gott Israels. Die Offenbarung selbst verlief vergleichsweise spektakulär - als brennender Dornbusch und später mehrfach in der Gestalt von Rotmeer-Wasserspielen und Feuersäulen. Aber immerhin: Gott sprach erstmals zu den Menschen und stellte sich - wenn auch in einer Codesprache - namentlich als JHWH ("Ich bin der ‚Ich bin da‘") vor.

Eine dagegen fast revolutionäre, weil bis dahin undenkbare Offenbarungsstrategie hat sich der Gott der Christen ausgedacht. Er wurde selbst zum Menschen aus Fleisch und Blut, um den Gläubigen unter Pseudonymen wie Gottessohn, Christus oder "Der gute Hirt" die Frohbotschaft seiner tatsächlichen Existenz zu bringen. Der Evangelist Johannes bezeichnet Gott passend als den "Logos", das Wort, das "Fleisch geworden ist". Was hinter diesem Wort, also dem Evangelium, stehen soll, hat der Papst Benedikt XVI. zuletzt in einer Enzyklika bekräftigt: "Gott ist die Liebe."

Ob nun aber die Weihnachtsgeschichte mit der Geburt in einem Stall und die spätere Kreuzigung samt Auferstehung und Himmelfahrt historisch so stimmen oder nicht - die Strategie, sich den Erdenbewohnern als Mensch zu zeigen, zu ihnen als Freund zu sprechen und auf dem Weg gleich ein paar Tipps für ein friedliches Zusammenleben hierzulassen, mag man dennoch genial finden. Ob man nun glaubt oder nicht.