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Mürrischer Workaholic löst Charismatiker ab. | Der Architekt von "New Labour" kann mit Wirtschaftsaufschwung punkten. | Neuer Premier will Einkommensschere schließen. | Wien/London. Das Warten hat für Gordon Brown ein Ende: Am heutigen Mittwoch wird der kürzlich zum Labour-Chef gekürte zur Queen zitiert, die ihn mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Am frühen Nachmittag fährt Brown mit der Premierslimousine in Downing Street 10 vor und tritt damit die Nachfolge Tony Blairs an.
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Zehn lange Jahre ist der Sohn eines schottischen Predigers im Schatten seines Vorgängers gestanden und hat auf diesen Augenblick gewartet. Eine Zeit, in dem die kongenialen Erfinder von New Labour sich immer mehr voneinander entfernt haben, bis eine anfängliche Freundschaft in kaum verholene Antipathie, zeitweise sogar erbitterte Feindschaft umschlug.
Sieg über Tories
In den frühen 80er-Jahren, als Margaret Thatcher Großbritannien fest im Griff hatte, zogen Blair und Brown als junge Labour-Abgeordnete ins Parlament ein, teilten eine fensterloses Büro und feilten an Konzepten, wie man die arg ramponierte Gewerkschafter-Partei, damals noch der "public ownership" verpflichtet, zum Sieg führen könnte. Beiden gelang es, die Partei zu öffnen, zu modernisieren und schließlich, 1997, den glücklosen Tory-Premier John Major von der Macht zu vertreiben. Drei Jahre zuvor, so wird kolportiert, haben Brown und Blair im "Granita"-Restaurant im Londoner Stadtteil Islington einen Pakt geschlossen, wonach im Fall einer Machtübernahme durch Labour Blair zunächst Premier werden sollte - mit einem politisch mächtigen Brown an seiner Seite. Im Falle eines weiteren Wahlsieges sollte dann Brown zum Zug kommen.
Der Pakt dürfte statt mit Blut mit Rotwein besiegelt worden sein: Blair konnte sich an nichts mehr erinnern, übergab das Staffelholz nach einem weiteren Labour-Wahlsieg 2005 nicht an Gordon Brown, sondern hielt an der Macht fest.
Verhältnis frostig
Spätestens ab diesem Zeitpunkt herrschte Feindschaft zwischen den beiden vom Ehrgeiz verfolgten Politikern. Die britische Tageszeitung "Independent" hat zuletzt unter Berufung auf ein vertrauliches Dokument aufgedeckt, dass Blair Brown nach der Parlamentswahl 2005 entlassen und seine Machtbasis im Finanzministerium zerstören wollte. In dem von Blair-Vertrauten entworfenen Papier ist die schrittweise Neuorganisation des Ministeriums skizziert, außerdem wird die Installierung eines "neuen Finanzministers" erwähnt, berichtet "Independent".
Der Plan wurde nie umgesetzt, da Blair politisch zu sehr auf Brown angewiesen war. Das Strahlemann-Image des britischen Premier war zu diesem Zeitpunkt durch den Irak-Krieg bereits stark angeknackst, Schatzkanzler Brown, Mastermind des permanenten wirtschaftlichen Aufschwungs, konnte seine Partei vor einer schlimmen Niederlage retten.
Gordon Brown galt im Vergleich zu Tony Blair immer als farbloses Arbeitstier, humorlos und mit autoritären Zügen versehen. Tatsächlich besuchte Brown - intellektuell frühreif - bereits im Alter von 16 Jahren die Universität und beendete diese mit einer Abschlussarbeit aus Geschichte, die bis heute von Kennern der Materie als "einzigartig" gerühmt wird. Durch einen schweren Unfall beim Rugby-Spiel büßte Brown noch als Student auf einem Auge seine Sehkraft ein, wegen drohender Netzhaut-Ablösung musste er wochenlang im Dunkeln liegen. Das Glasauge, das Brown seit jenem Vorfall ziert, verleiht "Grumpy Gordon", wie er genannt wird, einen verzwickten Gesichtsausdruck. Auch der Umstand, dass die erste Tochter Browns 2003 im Alter von nur zehn Tagen gestorben ist, war nicht geeignet, das Gemüt des mürrischen Politikers aufzuhellen.
Während es Blair immer meisterhaft verstanden hat, mit Stimmungen zu spielen, gilt Brown als nüchterner Herr über endlose Zahlenkolonnen. Der Inhalt der Politik sei immer noch wichtiger als eine gelungene Präsentation derselben, entgegnet Brown für gewöhnlich denen, die ihn darauf ansprechen.
Arbeiten statt Feiern
Jetzt ist Brown an die Regierungsspitze vorgerückt. Sein Einzug in Downing Street 10 wird kaum in einen Triumphzug mit Fahne schwingendem Publikum ausarten, wie das bei Tony Blair 1997 der Fall gewesen war. Statt zu feiern werde er sich lieber an die Arbeit machen, sagte Brown im Vorfeld. Das sei es, was die britische Bevölkerung zu Recht erwarte.
Welche politischen Schwerpunkte der neue Premier setzen wird, ist größtenteils noch nicht klar. Gordon Brown hat angekündigt, die enorm gewachsene Ungleichheit zwischen Arm und Reich in Großbritannien ausgleichen, die steigende Wohnungsnot beheben und etwas gegen die Defizite der öffentlichen Dienste tun zu wollen.