Johannesburg - Sie nennen ihn "Doktor Tod", und er ist ein freundlich dreinschauender Herr mit Halbglatze, gepflegtem Vollbart sowie makabrer Vergangenheit. Der Herzspezialist Wouter Basson muss sich zur Zeit wegen 46 Anklagepunkten vor einem südafrikanischen Gericht verantworten - sie reichen von Mord über Betrug bis illegalen Drogenbesitz. Was er seither zu Protokoll gibt, lässt selbst den smarten Film-agenten James Bond dagegen wie einen Chorknaben wirken.
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Denn Basson war einst Chef des früheren "Projekts Küste". Der Code-Name stand für eines der bestgehüteten Geheimnisse des damals international geächteten Apartheid-Staates: der Forschungsabteilung für chemische und biologische Kriegführung. Von Experimenten mit Nervengas und Kokain über Beziehungen zur Stasi und dem Schweizer Geheimdienst ist da die Rede, von libyschen und sowjetischen Dunkelmännern bis zu Scheinehen und Luxuswohnungen. Auch der Sex fehlte nicht: Frauen dienten ihm als Tarnung.
Basson brüstet sich auch bester Beziehungen zu den Geheimdiensten der USA und Großbritannien, denen er indirekt den Einsatz von Kampfgas im Golfkrieg vorhält. Glaubt man den Aussagen des heute wieder im Staatsdienst stehenden früheren Apartheid-Giftmischers, so gab es kaum ein Land, das nicht ins "Projekt Küste" verwickelt war.
"No limit" hatte die Devise geheißen, als er Ende der siebziger Jahre von den Streitkräften kontaktiert worden war. Den Aufbau einer top-geheimen Abteilung für biologische und chemische Kriegsführung sah er als "interessante intellektuelle Herausforderung" an, sagte er dem Landgericht in Pretoria. Offenbar verstand er sie auch als Mittel zur eigenen Bereicherung. Das vermutet die Staatsanwaltschaft. Denn der 50-Jährige schaltete und waltete ohne Kontrolle nach Belieben. Basson wurde dabei ein reicher Mann. Er schmuggelte elektronische Komponenten in TV-Geräten, spann ein weltweites Netz von Geschäftskontakten und kaufte im Namen seiner Auftraggeber ein luxuriöses Anwesen in Pretoria, eine Farm, ein Reisebüro und selbst einen Privat-Zoo. Den benötigte er um mit den Tieren Versuche bei der Steuerung von Menschen-Ansammlungen durch Pheromone (chemische Lockstoffe) durchzuführen, erklärte er dem verdutzten Richter.
Im Dezember 1992 kam der Befehl, alle Arbeiten einzustellen und zu vernichten. Der enttäuschte und verärgerte Basson gehorchte und kippte unter anderem 500 Kilogramm Rohstoff für die Droge Mandrax ins Meer, die er Wochen zuvor in Russland erworben hatte. Beim Kauf habe der Schweizer Geheimdienst geholfen, der damals - so Basson - am Erwerb russischer Atomwaffentechnik interessiert gewesen sei.
Als während der Transaktion 1,5 Millionen Dollar (1,71 Mill. Euro/23,5 Mill. S) veruntreut wurden, habe er zur Wiedererlangung des Geldes Vatikan-Gelder in Höhe von 1,5 Millionen Dollar gestohlen. Für Kroatiens Kriegskasse seien sie gedacht gewesen, behauptet Basson. Ein Schweizer Agent, den er erst später der Veruntreuung verdächtigte, habe dabei geholfen. Er habe ihn offenbar auch verraten, was zu Bassons Festnahme führte.
Auch die von Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu geleitete südafrikanische Wahrheitskommission hatte sich seinerzeit mit Basson befasst. Im Juni 1988 hatte der Chef der Armee-Einheit für Spezialoperationen, Schalk van Rensburg, ihn belastet. Basson habe seine Forscher 1985 aufgefordert, ein Serum zu produzieren, das schwarze Frauen unfruchtbar machen sollte. Demnach wurden in den Laboratorien Bassons zahlreiche Gifte aufbewahrt und mit ihnen Apartheid-Gegner umgebracht. Auch Cholera-Erreger habe es gegeben. Basson habe einmal vorgeschlagen, sie bei Unruhen am östlichen Kap einzusetzen. Auch mit vergifteten Schokoladen, Getränken, Deodorants, Regenschirmen und Zigaretten wurde in den Basson-Labors hantiert.
Vor dem Kreuzverhör enthüllte Basson ein weiteres makabres Detail: Zu Versuchen mit Wachstumshormonen habe er Ende der 80er Jahre von sowjetischen Wissenschaftern eine Probe von 250 Gramm erhalten. Da dieses Hormon damals noch nicht künstlich hergestellt werden konnte, konnte es nur von Leichen entnommen worden sein. 30 000 mindestens, rechnete Basson dem Richter vor.