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Flüchtlinge nehmen "uns" Wohnungen, Schulplätze, Arbeitsplätze weg - und ganz generell Geld aus dem Sozialsystem. Mit dieser Botschaft gehen Rechtspopulisten in Europa (auch die FPÖ) mit Erfolg hausieren. Diese Meinung ist in der Bevölkerung mehrheitsfähig. Zum Mitleid gesellt sich Angst. Angst, dass die Flüchtlinge "uns" etwas wegnehmen. Nun ist die grundsätzliche Frage, wer dieses "uns" ist. Flüchtlinge gehören ja auch zu "uns" - sie sind da.
Doch es ist ebenso wahr, dass viel über die Kosten dieses "Stroms des Lebens" (O-Ton Serbiens Regierungschef) gestritten wird, gerade von Regierungen und EU-Verantwortlichen. Und es gibt auch (flächendeckend) die Debatte um eine Obergrenze für Flüchtlinge.
Beide politischen Äußerungen bestätigen die Bevölkerungsmeinung, dass Flüchtlinge die vorhandenen Kuchenstücke kleiner machen.
Die Regierungen bestätigen also selbst die populistischen Sätze vom rechten Rand, was diesem rechten Rand Auftrieb verschafft.
Ein zynisches Spiel, das da gespielt wird, es darf getrost ekelhaft genannt werden. Denn diese Debatte zeigt, dass Menschen weniger wert sind als Finanzinstitute. Im Juli 2012 sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Drahgi, in London, er werde alles tun, um den Euro zu erhalten ("whatever it takes . . ."). Damit beendete Draghi die Spekulation um den Euro.
Wo ist nun der politische Draghi, der den Menschen erklärt, dass beim Flüchtlingsthema alles getan wird, um Europas Systeme zu erhalten?
Wo sind denn nun die EU-Milliarden, um das Welternährungsprogramm nicht nur aufzufüllen, sondern deutlich höher zu dotieren? Wo sind die EU-Milliarden, um die schulische, berufliche und gesellschaftliche Integration dieser Menschen zu erleichtern? Und wo sind die Milliarden, um die dabei besonders unverzichtbare Zivilgesellschaft (abseits der Regierungen) in ihrer Hilfsbereitschaft zu unterstützen?
Europa hatte Geld zur Euro-Rettung - ein richtiger Schritt. Nun wird Europa viel Geld aufwenden müssen, um die Flüchtlingssituation so zu bewältigen, dass niemand Angst haben muss, es würde ihm etwas weggenommen. Dazu müsste sich die politische Erzählung der nationalen Regierungen ändern. Die jüngsten Debatten zeigen freilich, dass politisch in der EU niemand an Draghi heranreicht. Und daher stellen sich viele Bürger die (angstmachende) soziale Frage.