Die Inflation in der Eurozone soll 2017 wieder bei 1,7 Prozent liegen. Der EZB-Präsident will dennoch nicht den schwierigen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik wagen.
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Frankfurt. Formal gesehen bleibt auch diesmal alles beim Alten. Die Leitzinssatz, der schon seit einem Jahr bei 0,0 Prozent liegt, wird auch weiterhin auf diesem Rekordtief verharren. Parken Finanzinstitute überschüssiges Geld bei der EZB, müssen sie dafür nach wie vor 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Und auch beim gewaltigen Anleihenkaufprogramm hat die jüngste zinspolitische Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) keine Planänderung gebracht. Bis mindestens Ende 2017 werden Monat für Monat Anleihen und Wertpapiere im Volumen von 60 Milliarden Euro gekauft, um die Banken und die restliche Wirtschaft mit zusätzlicher Liquidität zu versorgen.
Und dennoch stand das Zusammentreffen der Währungshüter im Frankfurter EZB-Tower am Donnerstag unter gänzlich anderen Vorzeichen als in den vergangenen Monaten. Denn im Februar war die Teuerung in der Eurozone mit 2,0 Prozent erstmals seit vier Jahren wieder leicht über die EZB-Zielmarke gesprungen. Und der Trend zu höheren Preisen dürfte auch auf Jahressicht anhalten. So rechnet die EZB, die im Dezember noch von einer Teuerung von 1,4 Prozent ausgegangen ist, nun sogar mit 1,7 Prozent im gesamten Jahr 2017.
EZB-Chef Mario Draghi steht damit eigentlich unter Zugzwang, denn die enorme Geldschwemme, mit der seit zwei Jahren die Märkte geflutet werden, sollte vor allem die Deflationsgefahr bannen. Doch die scheint nun immer weiter in die Ferne zu rücken, was vor allem in Deutschland die Rufe nach einem Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik lauter werden lässt. "Die EZB sollte nun den Fuß vom Gaspedal nehmen", sagt etwa Clemens Fuest, der Chef der Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo. Er schlägt vor, die Anleihenkäufe um monatlich 10 Milliarden Euro zu reduzieren.
Kerninflation bleibt zu niedrig
Dass sich Draghi dennoch sträubt, die Zügel wieder anzuziehen, liegt an der aus seiner Sicht immer noch zu niedrigen Kerninflation. Denn wenn die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert werden, verharrt die Teuerung seit Monaten bei Werten unter einem Prozent. Nur in wenigen Ländern der Eurozone könnten es Firmen derzeit versuchen, höhere Preise bei den Kunden durchzusetzen, sagt Dirk Gojny, Ökonom der National-Bank.
Draghi dürfte zudem die politischen Unsicherheiten im Hinterkopf haben. Denn in den kommenden zwei Monaten werden in den Niederlanden und in Frankreich Parlaments- beziehungsweise Präsidentenwahlen abgehalten und in beiden Ländern liegen mit Geert Wilders und Marine Le Pen erklärte Europafeinde in den Umfragen auf den vorderen Plätzen.
Doch auch wenn die europäische Politik nach der französischen Stichwahl am 7. Mai wieder in ruhigeres Fahrwasser zurückkehren sollte, dürfte der irgendwann fällige Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik keine leichte Übung werden. Denn das Ende des Anleihenkaufprogramms darf nach einhelliger Einschätzung der Volkswirte auf keinen Fall zu abrupt erfolgen. Schließlich ist die EZB mittlerweile zum wichtigsten Spieler auf dem Markt für Staatsanleihen der Euroländer aufgestiegen und jede Änderung könnte zu schweren Turbulenzen führen.
Probleme im Süden drohen
Wie folgenreich hier schon ein paar unbedachte Worte sein können, musste im Mai 2013 Ben Bernanke erfahren. Der damalige US-Notenbankchef löste weltweit heftige Marktreaktionen aus, als er bei einer Anhörung im US-Kongress beiläufig erklärte, die Fed könnte bei anhaltend positiven Wirtschaftsdaten ihre Wertpapierkäufe allmählich zurückfahren. Als "taper tantrum" ist die dadurch damals ausgelöste weltweite Achterbahnfahrt an den Börsen zum geflügelten Wort geworden. Ähnliche Probleme könnten auf die EZB angesichts des hohen Schuldenstands in den Länder Südeuropas zukommen. Denn wenn die Anleihenrenditen aufgrund von Marktturbulenzen nach oben schießen, verteuert sich auch die Schuldenaufnahme in den betroffenen Staaten.
Entscheidend wird daher nach Ansicht vieler Experten sein, wie Draghi und seine Notenbank-Kollegen die sogenannte "Forward Guidance" einsetzen. So wird die Kommunikationsform bezeichnet, mit der Währungshüter Finanzmarkt-Akteuren Orientierung über die künftige Richtung ihrer Geldpolitik geben. Experten der Barclays-Bank hatten in diesem Zusammenhang bereits vor einiger Zeit vorgeschlagen, die Drosselung der Geldflut an bestimmte Konjunktur- und Inflationsmarken zu knüpfen. Investoren hätten dann mehr Anhaltspunkte, wann mit einem Abklingen der Käufe zu rechnen ist.