Europas Zentralbank riskiert viel, um das Schlimmste zu verhindern - und könnte es genau damit herbeiführen.
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Droht der Eurozone eine Ära starker Geldentwertung, wenn nicht gar galoppierender Inflation, weil die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Monaten hunderte Milliarden Euro aus dem Nichts geschaffen und in das Finanzsystem gepumpt hat? Oder war das ganz im Gegenteil notwendig, um Europa vor einem steilen Absturz in die nächste Rezession und einige Banken vor der Pleite zu bewahren? Um diese Frage ist in der Führung der EZB nun ein Glaubenskrieg entstanden; und wie jeder Glaubenskrieg wird auch dieser hart geführt. Dabei steht die Mehrheit der Euro-Staaten hinter EZB-Chef Mario Draghi und seiner Politik des leichten Geldes, während nur Deutschland und seine ökonomischen Satelliten sich aus Angst vor Inflation gegen diesen Kurs stemmen; weitgehend erfolglos bis dato.
Zweifellos können Draghi und die Gelddrucker für sich in Anspruch nehmen, dass ihre Politik a) vermutlich im Herbst einen europaweiten Bankencrash verhindert und b) seither auch die unmittelbare Bedrohung von Italien und Spanien deutlich abgenommen hat. Insgesamt ist der Draghi-Diät eine gewisse - freilich womöglich nur vorübergehende - Besserung der Lage des europäischen Patienten zu danken.
Dem steht die deutsche Logik entgegen, wonach das massenhafte Bedrucken kleiner Papierzettel mit bunten Motiven nicht wirklich geeignet ist, nachhaltigen Wohlstand herbeizuführen, sehr wohl aber in Inflation enden muss. Gerade Deutsche und Österreicher mussten das in ihrer Geschichte ja auf die harte Tour lernen; samt der unerquicklichen politischen Folgen dieser Enteignung des Mittelstandes.
Das eher Beunruhigende daran: Noch nie seit dem Weltkrieg gab es in einer für hunderte Millionen Menschen und ihr wirtschaftliches Wohlergehen derart zentralen Frage so wenig Gewissheit und so viel Dissens über den richtigen Weg wie jetzt rund um den Euro. Wer recht gehabt hat, werden wir erst wissen, wenn es möglicherweise schon zu spät ist. Das Ganze ist ein finanzpolitisches Experiment historisch einmaligen Ausmaßes.
Ziemlich sicher ist hingegen, dass die Bürger des ehemaligen D-Mark-Blocks, also auch Österreichs, den Abschied von ihren jeweiligen Währungen nie und nimmer demokratisch legitimiert hätten, wäre damals für sie erkennbar gewesen, wie weit sich der Euro einst von der Mark oder dem Schilling weg entwickeln würde. Und vor allem, wie sehr die EZB sich von der seriösen Politik harten Geldes im Stil der Deutschen Bundesbank lösen wird. Sämtliche Zusagen, die damals gemacht wurden, vom Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB bis zum gegenseitigen Haftungsausschluss der EU-Mitglieder - wurden mittlerweise eklatant gebrochen. Legitimiert aber wurden und werden all diese Vertragbrüche ausschließlich durch ihre behauptetete Alternativenlosigkeit, nicht etwa durch demokratische Entscheide.
Man will sich lieber nicht vorstellen, was die politischen Folgen in Österreich oder Deutschland wären, sollte das Ergebnis dieser Vertragsbrüche sein, dass der Mittelstand durch galoppierende Inflation um einen erheblichen Teil seiner Euro-Ersparnisse gebracht wird.
ortner@wienerzeitung.at