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Die Europäische Zentralbank feiert 20. Geburtstag: Am 1. Juni 1998 nahm die Notenbank der Gemeinschaftswährung offiziell ihre Arbeit auf. Doch für EZB-Präsident Mario Draghi gibt es nichts zu feiern. Er, der für seine Politik im Zuge der Finanz- und Schuldenkrise als Euro-Retter gefeiert wurde, steht vor den Trümmern seiner Strategie. Ausgerechnet sein Heimatland Italien beschert ihm zum Jubiläum die nächste mögliche Existenzkrise des Euro.
"Whatever it takes": Mit diesen drei Worten gelang es Draghi im Juli 2012, mit einem Schlag allen Spekulationen, dass Italien - die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone - in den Strudel der Finanzkrise hineingezogen werden könnte, den Boden zu entziehen. Was auch immer nötig sei, werde getan werden, um den Euro zu retten.
Mit radikalen Zinssenkungen und monatlichen Wertpapierkäufen, die im Wesentlichen aus Staatsanleihen bestehen, beendete die EZB unter Draghi alle Spekulationen und schuf die Grundlage für einen breiten Aufschwung in der Eurozone. Dass dieser Kurs auf Kosten der Sparer ging, deren Geld auf dem Bankkonto immer mehr an Wert einbüßte, gilt als vertretbarer Preis für diese Politik. Lediglich in Deutschland und Österreich wird dies skeptisch betrachtet. Der Tenor der Kritiker: Draghi ersticke jeden Reformwillen der Staaten und Institutionen, das billige Geld wirke auf Wirtschaft und Politik wie eine Droge, von der beide nicht mehr lassen könnten.
Draghis Verdienste um die Rettung des Euro sind unbestritten, zumal die Politik sich am Höhepunkt der Schuldenkrise als handlungsunfähig erwies. Doch gerade jetzt, als die EZB endlich ansetzen will, den Einstieg in den Ausstieg aus dem billigen Geld einzuleiten, droht die nächste Krise.
Die Strategie Draghis, dessen Amtszeit Ende 2019 ausläuft, droht womöglich doch noch zu scheitern. Die Verantwortung dafür tragen die Staaten, die die Zeit, die ihnen das billige Geld der Zentralbank tatenlos verschaffte, ungenutzt verstreichen ließen. Statt endlich ihre Hausaufgaben zu machen - Schuldenabbau und Reformen zur Stärkung des Standorts -, freuten sie sich über die sinkenden Zinszahlungen.
Offiziell sieht die EZB noch keine Notwendigkeit für ein Einschreiten in der Italien-Krise. Tatsächlich ist die Lage noch viel zu unübersichtlich, bringt doch fast jeder Tag eine neue Kehrtwende. Und noch hat die EZB Möglichkeiten in der Hand, etwa den direkten, an harte Bedingungen geknüpften Kauf von Staatsanleihen eines absturzgefährdenden Staats, das sogenannte OMT-Programm. Doch das war eigentlich zur Abschreckung der Staaten vor allzu verantwortungsloser Politik gedacht. Daran kann man die Folgen erahnen, wenn es jetzt zum Einsatz gelangen sollte.