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Drama um deutsches Voest-Werk

Von Karl Leban

Wirtschaft
Das angeschlagene Schienenwerk in Duisburg soll bis Jahresende zugesperrt werden.
© TSTG

Aus für die TSTG Schienentechnik: Schicksal der 350 Mitarbeiter noch offen.


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Linz/Duisburg. Spätestens Ende 2013 soll die Schienenproduktion in Duisburg stillgelegt sein. So will es der Linzer Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine, der keine Chancen sieht, das angeschlagene deutsche Werk rentabel weiterzuführen. Mit dem schon vor einem Jahr verkündeten "Aus" will sich die Belegschaft der TSTG Schienentechnik allerdings nicht abfinden. Über ihren Betriebsrat drängen die rund 350 Mitarbeiter darauf, dass das Werk zum Verkauf freigegeben wird.

"Das ist unser großer Wunsch an die Voestalpine - es gäbe Interessenten", betont TSTG-Betriebsratschef Heinz-Georg Mesaros zur "Wiener Zeitung", ohne Namen zu nennen. Er sieht das seit 1894 bestehende Schienenwerk "operativ auf gutem Weg". Sein Appell an die Konzernzentrale in Österreich: "Die Belegschaft hat eine Chance verdient, die Wirtschaftlichkeit der TSTG darzustellen."

Mesaros beruft sich dabei auch auf ein Gutachten eines externen Experten, wonach das Werk sehr wohl Zukunft hätte. Die Voestalpine sieht das anders: Laut ihren eigenen Prognosen würde die TSTG bei Fortführung des Betriebes allein in den nächsten fünf Jahren herbe Verluste in jeweils zweistelliger Millionenhöhe einfahren.

Von ihrem Plan, die Pforten in Duisburg-Bruckhausen dichtzumachen, wollen die Linzer keinesfalls mehr abrücken. Ein Verkauf, wie von der Belegschaft erhofft, wird nicht erwogen, obwohl die Schließung des 2001 von ThyssenKrupp erworbenen Werks dem Vernehmen nach mehr als 100 Millionen Euro kostet. Voestalpine-Sprecher Peter Felsbach erklärt dazu: "Wir haben keine Interessenten."

Der Schienenmarkt in Deutschland gilt seit Jahren als heiß umkämpft und leidet unter massiven Überkapazitäten. Die Preise sind im Keller, seitdem 2011 ein Kartell aufgeflogen ist, dem neben einer Reihe anderer Firmen auch die TSTG angehörte. Zudem lässt der Hauptabnehmer von Schienen, die Deutsche Bahn, nach Informationen der "Wiener Zeitung" mittlerweile nur noch die Billigstbieter zum Zug kommen.

Ob ein potenzieller TSTG-Käufer bereit wäre, in diesen Markt einzusteigen oder zusätzliche Kapazitäten zu übernehmen? Bei der Voestalpine sagt man: "Nein."

"Keine Frage, das war

ein Katastrophenjahr"

"Schon ab 2009 haben wir bei der TSTG begonnen, das Geschäft zu stützen", so Felsbach im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Im Wirtschaftsjahr 2011/12 lag der operative Verlust bei 12,8 Millionen Euro. "Keine Frage, das war ein Katastrophenjahr", räumt auch Mesaros ein. Inzwischen sei die TSTG im operativen Geschäft aber wieder in den schwarzen Zahlen. In Linz wird das in Abrede gestellt: "Für 2012/13 rechnen wir erneut mit einem tiefroten Ergebnis."

Was die Situation in Duisburg aus Sicht der Voestalpine ausweglos macht: "Bei den Kosten können wir an keiner Schraube mehr drehen - auch nicht beim Personal", schildert Felsbach. Beim Bezug des Vormaterials etwa sei das Werk von ArcelorMittal abhängig, und hier seien relativ hohe Preise zu bezahlen. Daneben habe man auch laufende Mietkosten für das Werksgelände sowie die Werksgebäude, die ThyssenKrupp gehören (die Voestalpine ist nur im Besitz der Produktionsanlagen).

Ein weiterer Grund, warum die Reißleine gezogen werden soll: In Zukunft will die Voest keine Standard-Bahnschienen mehr herstellen (so wie in Duisburg), sondern nur noch kopfgehärtete Schienen, die im "Hochpreissegment" angesiedelt sind. Diese Schienen sind laut Felsbach technisch gesehen weit qualitativer, da sie hohen Belastungen und Geschwindigkeiten standhalten und eine bis zu sieben Mal höhere Lebenszeit haben.

"Wir ziehen uns nicht wie eine Heuschrecke zurück"

Dass in Duisburg vorläufig noch produziert wird, hat mit einem Großauftrag der Deutschen Bahn zu tun. Diesen Auftrag haben die Voestler im Frühjahr 2012 hereingenommen, unter großen Preisabstrichen und nur, um den geordneten Rückzug antreten zu können. Geplant ist jedenfalls, die TSTG-Mitarbeiter nicht im Regen stehen zu lassen. "Wir ziehen uns nicht zurück wie eine Heuschrecke", wird bei der Voestalpine beteuert.

Vorerst ist das Schicksal der Mitarbeiter aber ungewiss. Denn über einen versprochenen Sozialplan, der unter anderem Ersatzarbeitsplätze in anderen Betrieben anbieten soll, wurde bis dato noch nicht verhandelt. Betriebsratschef Mesaros sagt dazu: "Unser primäres Interesse gilt dem Fortbestand des Werks. Wir sind aber auch bereit, Sozialplan-Verhandlungen zu führen. Bisher hat man uns allerdings noch nicht eingeladen."