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Drängende Probleme in der Pflege

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Ab 2030 wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen rapide ansteigen.


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Die Covid-19-Pandemie rückte die Altenpflege ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die demografischen Entwicklungen - allen voran das Älterwerden der Babyboomergeneration der 1960er Jahre - macht das Thema der Pflege zu einem der zentralsten in der Sozialpolitik. Die nächsten zehn Jahre lassen noch geringere Nachfragesteigerungen nach Pflegedienstleistungen erwarten, ab 2030 wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen allerdings rapide ansteigen.

Der demografischen Vorausschau folgend, gehen Wifo-Projektionen von einer Steigerung der Nachfrage nach Pflegedienstleistungen im Ausmaß von gut 80 Prozent bis 2030 und über 300 Prozent bis 2050 aus. In Relation zum Bruttoinlandprodukt: Heute geben wir rund 0,6 Prozent des BIP für Pflegedienstleistungen aus, 2030 werden das rund 0,8 Prozent sein, 2050 1,4 Prozent. Der pflegepolitische Grundsatz "mobil vor stationär" ist richtig gewählt. Dennoch zeigen Wifo-Projektionen, dass die stark ansteigende Nachfrage nach stationären Pflegediensten auch bei einem Fokus auf mobiler Pflege nur etwas gedämpft werden kann.

Diese Wifo-Projektionen berücksichtigen neben der Demografie auch positive Gesundheitsentwicklungen, Kostensteigerungen im Pflegebereich aufgrund der Humankapitalintensität des Sektors und den Rückgang der informellen Pflege. Das Pflegepotenzial von Familien wird sich durch höhere Bildung von Frauen, die zu einer stärkeren Arbeitsmarktintegration führt, aber auch durch die gesunkene Fertilität reduzieren.

Neben der Finanzierung wird die zentrale Herausforderung sein, das nötige Pflegepersonal zu rekrutieren. Schon jetzt kämpfen mobile und stationäre Pflegeanbieter mit Personalmangel. Dies bedeutet für das bestehende Personal eine zunehmende Verdichtung des Arbeitsablaufes besonders in Urlaubs- und Krankenzeiten. Maßnahmen, um den Personalmangel zu reduzieren, werden über klassische Ausbildungswege hinausgehen müssen: So sollten finanziell unterstützte Aus- und Weiterbildungen sowie finanziell unterstützte Umschulungsmöglichkeiten für Wiedereinsteigerinnen weiter ausgebaut werden. Außerdem zeigt sich bereits jetzt: Ohne Migration wird die Deckung des Personalbedarfs in der Pflege nicht möglich sein. Adressiert müssen auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege werden. Die Strukturen in Pflegeheimen ändern sich: Die Patientinnen und Patienten kommen in einem höheren Alter, mit einer höheren Pflegestufe und bleiben kürzer, sind aber betreuungs- und pflegeintensiver. Diese Entwicklungen ändern die Arbeitsbedingungen und verlangen den Pflegekräften mehr ab. In Kombination mit der Arbeitsverdichtung, ist dies - vor dem Hintergrund der zu erwartenden Steigerung der Nachfrage nach stationären Pflegediensten - eine problematische Entwicklung.

Die Kostensätze der öffentlichen Hand bestimmen die Arbeits- und Gehaltsbedingungen im Pflegebereich maßgeblich mit. Ist eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Pflegedienstleistungen politisch nicht gewollt bzw. will man die künftigen Pflegeleistungen in Umfang und Qualität reduzieren, um die Kostenentwicklung im Pflegebereich einzudämmen, muss diese Diskussion offen geführt werden.

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