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Dreht China USA Geldhahn ab?

Von Helmut Dité

Wirtschaft

Auch chinesische Ratingagentur droht mit Abstufung. | Obama stellt im US-Schuldenstreit Ultimatum.


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Washington/Peking. Es sind nur knappe, zurückhaltend und höflich formulierte Kommentare aus Peking, aber sie bergen eine enorme Brisanz: Beunruhigt durch die Schuldenkrise der USA, für die sich in immer rauer werdenden Diskussionen zwischen Präsident Barack Obama und den oppositionellen Republikanern keine drei Wochen vor dem für 2. August erwarteten Staatsbankrott noch immer keine Lösung abzeichnet, droht jetzt China als größter Gläubiger mehr oder weniger unverhohlen damit, den Amerikanern den Geldhahn abzudrehen.

Die Regierung in Peking hoffe, dass die USA eine verantwortungsvolle Haltung einnähmen und die Interessen der Investoren garantierten, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag - eine ungewöhnlich deutliche Einmischung: "Wir hoffen, dass die US-Regierung eine verantwortungsvolle Politik und Maßnahmen ergreifen wird."

Der regierungsnahe Ökonom Yu Bin ging noch weiter: Da die USA derzeit schlechter dastünden als erwartet, müsse China die möglichen Risiken seiner großen Beteiligung an den US-Staatsschulden ernsthaft prüfen, sagte er.

China ist mit Abstand der größte Gläubiger der USA: Fast 1,2 Billionen Dollar soll der Pekinger Staatsfonds CIC in den letzten Jahren in US-Anleihen investiert haben. Ein Rückzug oder eine Umschichtung in andere Währungen - wie übrigens in jüngster Zeit von chinesischen Ökonomen immer öfter gefordert - hätte für die USA verheerende Folgen.

Ratingagentur in China malt düstere Zukunft

Auch die chinesische Ratingagentur formuliert eher kühl: "Dadong wird die Note für US-Staatsanleihen senken, wenn es keine substanzielle Verbesserung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit gibt", erklärte die Ratingagentur am Donnerstag. Nach ihrer Ansicht werden sich "mehrere Faktoren, die die Fähigkeit der USA zur Rückzahlung ihrer Schulden beeinflussen, weiter verschlechtern". Deshalb werde man die Kreditwürdigkeit der USA voraussichtlich auch dann zurückstufen, wenn sich der Kongress und das Weiße Haus doch noch in letzter Minute auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze einigen. Denn: Die US-Regierung habe "keine bedeutende Politik zur Verringerung des Defizits".

Dadong bewertet die USA im Gegensatz zu den drei großen und weltweit dominierenden US-Ratingagenturen Moody’s - diese hatte am Mittwoch erstmals gedroht, den USA die Bestnote für ihre Kreditwürdigkeit zu entziehen - Fitch und Standard & Poor’s - diese hatte im April ebenfalls lediglich eine solche Warnung geäußert - schon jetzt nicht mehr mit der Bestnote AAA. Stattdessen senkten die Chinesen bereits im November ihre Note von AA auf A+.

Dadong nutzt für die Bewertung der Kreditwürdigkeit andere Regeln als die US-Ratingagenturen und will sich von diesen bewusst unterscheiden. Die Chinesen versuchen derzeit, sich auch international zu etablieren und werfen den US-Agenturen vor, durch falsche Ratings die Finanzkrise mitverursacht zu haben.

Auch die Geldpolitik der US-Notenbank Fed macht China offenbar Sorgen. Fed-Chef Ben Bernanke hatte am Mittwoch angedeutet, die Notenbank könnte ein weiteres milliardenschweres Stützungspaket für die US-Wirtschaft auflegen und erneut Staatsanleihen aufkaufen. Regierungsökonom Yu Bin erklärte, sein Land beobachte derzeit, ob die amerikanische Notenbank neue Maßnahmen in die Wege leite, die China möglicherweise schaden könnten.

US-Kongress streitet über Schuldenlimit

Der US-Kongress streitet seit Monaten über eine Erhöhung des gesetzlichen Schuldenlimits, das derzeit bei rund 14,3 Billionen. Dollar liegt. Diese Schwelle war zwar bereits Mitte Mai erreicht worden, durch Bilanztricks konnte Washington aber etwas mehr Zeit gewinnen. Der Stichtag ist nach Angaben des Finanzministeriums nun der 2. August.

Präsident Barack Obama benötigt für ein Heraufsetzen der Schuldengrenze die Zustimmung der Republikaner - die wollen neue Schulden allerdings nur dann zulassen, wenn zugleich auch drastische Einsparungen beschlossen werden.

Angesichts des wachsenden Zeitdrucks und der Drohungen der Ratingagenturen liegen die Nerven bei den Verhandlern in Washington mittlerweile anscheinend blank. US-Präsident Obama stellte den Parteispitzen im Kongress am Donnerstag (Ortszeit) ein Ultimatum, innerhalb von maximal 36 Stunden eine Einigung zu präsentieren, berichteten US-Medien. Sonst würde er sie am Wochenende zum Nachsitzen ins Weiße Haus zurückbeordern. Obama habe erklärt, er werde nicht weiter nachgeben, auch wenn er seine Präsidentschaft riskiere.

Am Freitag werde es erstmals in dieser Woche keine weitere Verhandlungsrunde im Präsidentensitz geben. Obama und seine Mitarbeiter seien aber "in Bereitschaft", sobald sich eine Verständigung abzeichne.

Die "Washington Post" berichtete unter Berufung auf einen Demokraten, der republikanische Verhandlungsführer Boehner habe die Einsparungsvorschläge der Regierung als "Mätzchen und Bilanztricks" abgelehnt. Obama seinerseits habe den Vorschlag der Republikaner, die Verschuldungsgrenze nur für einen kurzen Zeitraum anzuheben, abermals vehement zurückgewiesen, sagte ein ranghoher Berater der Demokraten. Er würde diesen Plan mit seinem Veto zu Fall bringen, habe Obama erklärt. Die Demokraten hielten an ihrem Ziel einer umfangreichen Übereinkunft fest, die Ausgabenkürzungen sowie Steuererhöhungen für Wohlhabende vorsieht. Die Republikaner lehnen eine Steuererhöhung strikt ab.