OGH-Entscheid frühestens im heurigen Sommer. | Anwalt spricht von Justizskandal. | Strafrechtsexperte: Anklage war zu umfangreich. | Wien. Justizministerin Maria Berger (SPÖ) soll sogar mit dem Staatsanwalt darauf angestoßen haben, als Helmut Elsner heute vor drei Jahren unter großem Bahöl von Frankreich ausgeliefert wurde. Seither sitzt der frühere Bawag-Generaldirektor in Untersuchungshaft. Für seine Anwälte ist diese lange U-Haft ein Skandal, für die Justiz kein Einzelfall.
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Im Juli 2008 wurde Helmut Elsner nach mehr als einem Jahr Prozessdauer im großen Bawag-Prozess des Betrugs, der Untreue und der Bilanzfälschung schuldig gesprochen. Gemeinsam mit dem Investmentbanker Wolfgang Flöttl und sieben weiteren Angeklagten soll er durch Spekulationen einen Schaden von 1,7 Milliarden Euro für die Bawag verursacht haben. Das bis heute nicht rechtskräftige Urteil - neuneinhalb Jahre Haft - sprach damals die heutige Justizministerin, Claudia Bandion-Ortner.
Seither kämpft Elsner um seine Freiheit, bislang allerdings erfolglos. Im vergangenen Dezember wurde der 13. Enthaftungsantrag abgelehnt. Der Grund: Fluchtgefahr. Dieser Kampf setzt Elsner gesundheitlich schwer zu. Laut seinem Anwalt Elmar Kresbach, der sich gegenüber der "Wiener Zeitung" auf den Gefängnisarzt beruft, drohe die ständige Gefahr eines Schlaganfalls oder Herzinfarktes. Dass der zuständige Haftrichter trotzdem hart bleibt, empfindet Kresbach als "Bösartigkeit".
Hart ins Gericht geht der Anwalt auch mit Bandion-Ortner. Im Herbst 2008, vor ihrer Berufung zur Ministerin, habe sie selbst die Möglichkeit einer Enthaftung angesprochen, dann aber plötzlich nichts mehr davon wissen wollen. Offensichtlich sei sie zurückgepfiffen worden, so Kresbach, der seinen Mandanten "in politischer Geiselhaft" sieht. Elsner hat die frühere Richterin daher auch bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt.
Im Justizministerium weist man die Anschuldigungen zurück. Bandion-Ortner habe nichts mehr mit dem Fall zu tun. Zur langen U-Haft heißt es, dies sei kein Einzelfall. Laut einer Statistik des Ministeriums gab es im Vorjahr zwei Fälle, in denen die Untersuchungshaft sogar erst nach mehr als vier Jahren endete, auch in den Jahren davor war U-Haft von mehr als drei Jahren keine Seltenheit. Außerdem sei Elsner in der Causa Gerharter rechtskräftig zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, daher betrage die Netto-U-Haft nur etwa ein halbes Jahr.
Kresbach rechnet mit einem neuen Verfahren
Diese Strafe hatte Elsner dafür ausgefasst, dass er dem früheren Konsum-Chef Herrmann Gerharter eine halbe Million Euro der Bawag quasi geschenkt hatte. Für Kresbach ein "unglaubliches Urteil": "Zweieinhalb Jahre für einen Unbescholtenen wegen 500.000 Euro, während Flöttl für 70 Millionen Euro nur eine teilbedingte Strafe bekam."
Der Anwalt Elsners setzt nun seine Hoffnung auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort soll demnächst über eine Beschwerde Elsners entschieden werden, "dann hat die Justiz gar keine andere Wahl, als diese Posse zu beenden".
Einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über das Bawag-Urteil wird frühestens im Sommer erwartet, laut Kresbach "eher erst 2011". Dann rechnet er fix mit einer Aufhebung des Urteils und einem neuen Verfahren.
Dass das Rechtsmittelverfahren so lange dauert, liegt am gewaltigen Umfang des Akts. Laut dem Strafrechtsexperten Helmut Fuchs von der Universität Wien wurden durch den Staatsanwalt "zu viele Einzelfakten angeklagt". Staatsanwalt Georg Krakow hätte sich "ein oder zwei Missbräuche heraussuchen" sollen. Dies hätte am Strafrahmen wenig geändert, das Verfahren aber beschleunigt, sagt Fuchs zur "Wiener Zeitung".
Wissen: Das Bawag-Urteil
Am 4. Juli 2008 wurde Ex-Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner im großen Bawag-Prozess wegen Untreue, Bilanzfälschung und schweren Betrugs zu neuneinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt. Zuvor war er schon in der "Causa Gerharter" wegen Untreue zu zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Nur letzteres Urteil ist rechtskräftig.
Auch die übrigen Angeklagten im Bawag-Prozess wurden schuldig gesprochen. Wegen Untreue und Bilanzfälschung: Ex-Bawag-Boss Johann Zwettler (fünf Jahre unbedingt), die Vorstände Peter Nakowitz (vier Jahre unbedingt), Josef Schwarzecker, Hubert Kreuch (je 3,5 Jahre unbedingt), Wirtschaftsprüfer Robert Reiter (drei Jahre, davon eines unbedingt), Ex-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger (2,5 Jahre, davon 6 Monate unbedingt) und Vorstand Christian Büttner (18 Monate bedingt, 36.000 Euro Geldstrafe). Investmentbanker Wolfgang Flöttl wurde wegen Untreue zu 2,5 Jahren Haft, davon 10 Monate unbedingt verurteilt. Alle diese Urteile sind nicht rechtskräftig.