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Drei Milliarden Euro für Mali

Von Klaus Huhold

Politik
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Schmuggelkriminalität und Islamisten destabilisieren die gesamte Region.


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Wien. Lange Zeit galt Mali als Musterbeispiel eines demokratischen Landes in Afrika. Wahlen fanden regelmäßig statt und die Regierung galt als stabil. Doch dann zerfiel der Wüstenstaat wie eine Sandburg. Seit März 2012 gab es zwei Regierungsumstürze. Und als dann auch noch Islamisten gemeinsam mit Tuareg-Rebellen den Norden Malis eroberten, drohte Mali zu einer Basis des internationalen Terrorismus zu werden, was die internationale Gemeinschaft alarmierte. Frankreichs Militär intervenierte nach einem Hilferuf der malischen Regierung und vertrieb vorerst die Islamisten.

Seitdem steht Mali weit oben auf der Prioritätenliste der Weltgemeinschaft. "Gemeinsam für die Erneuerung Malis" nennt sich eine Geberkonferenz für den afrikanischen Staat, die am Mittwoch in Brüssel stattfand und an der 103 Staaten teilnahmen. Dabei wurden mehr als drei Milliarden Euro für die nächsten zwei Jahre aufgebracht, berichtet Frankreichs Präsident François Hollande. Österreich hatte im Vorfeld angekündigt, zu den 2012 und 2013 bereitgestellten 3,4 Millionen Euro nun zusätzlich 700.000 Euro Hilfe zu leisten.

"Wir müssen gleichzeitig bei der Sicherheit, der Demokratie und der Entwicklung tätig werden", sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, dessen Land sich mit mehreren Millionen Euro an der Hilfe für Mali beteiligt. Denn in einem Punkt sind sich die Diplomaten einig: Die Militärintervention von Paris war nur der erste Schritt, auf lange Sicht gilt es einen Staat, der fast zerfallen war, von Grund auf neu aufzubauen.

Dafür muss aber die Sicherheitslage stimmen: Die französische Armee will nur noch eine Kerntruppe von 1000 Mann in Mali belassen. Sie soll von afrikanischen Truppen, die teilweise schon im Land sind, abgelöst werden. Zudem bilden Soldaten aus EU-Staaten - darunter acht Österreicher - Malis Armee aus. Gleichzeitig sollen die politischen Institutionen gestärkt werden und im Juli Wahlen stattfinden.

Ohne Tuareg gibt es keine Lösung für Malis Probleme

Wie komplex aber die Lage beim Aufbau Malis ist, wurde am Mittwoch bei einem vom International Peace Institut organisierten Symposium klar, bei dem führende Politanalysten zur Sahelzone in Wien zusammenkamen. So war etwa schon vor dem Eroberungsfeldzug der Islamisten im Norden "der malische Staat in der Region nicht mehr präsent", sagte Yahia Zoubir, der internationale Beziehungen in Marseille lehrt.

Damit wurde es Schmugglern leicht gemacht: Durch Nordmali werden - wie durch die ganze Sahelregion - Waffen, Benzin, Drogen oder etwa Zigaretten illegal transportiert. Auch malische Offiziere waren an dem Geschäft beteiligt, berichtete Zoubir. Und: Es gibt eine "enge Verknüpfung zwischen islamistischen Gruppierungen und dem Drogengeschäft". Damit und auch mit Geiselnahmen finanzieren die Gotteskrieger wiederum ihren Kampf.

Eine weitere Komponente des Mali-Konflikts ist die Lage der Tuareg, die in Nordmali gemeinsam mit anderen Ethnien leben. Seit Jahrzehnten sehen sich diese diskriminiert und kämpfen für ihre Unabhängigkeit. Beim jüngsten Konflikt haben sich Tuareg-Rebellen teilweise mit Islamisten verbündet, viele dieser Allianzen zerbrachen dann aber bald wieder.

Wenn sich die Tuareg beim nun eingeläuteten Transformationsprozess erneut nicht repräsentiert sehen, "dann ist nichts gelöst", betont Zoubir. Umgekehrt gilt aber: Wenn es gelingt, die Tuareg im politischen Prozess einzubinden, "dann könnte man sie auch im Kampf gegen die Kriminalität involvieren".

Überhaupt sind viele Staaten in der Sahelzone, etwa Mauretanien, der Tschad oder Niger, mit ähnlichen Problemen konfrontiert, die Mali zum Einsturz brachten: So leben auch im Niger Tuareg. Im Nachbarstaat Malis werden sie ebenso an den Rand gedrängt und haben sich schon gegen die Regierung erhoben. Seit dem Sturz von Muammar Gaddafi in Libyen wird zudem die gesamte Sahelregion mit Waffen überschwemmt, die aus den einstigen Gaddafi-Arsenalen stammen. Zudem sind viele Kämpfer, die in Libyen als Söldner dienten, in ihre Heimatländer in der Sahelzone zurückgekehrt. Diese ist einerseits von Schmuggelkriminalität unterwandert und andererseits eines der ärmsten Gebiete der Welt, was wiederum Konflikte anheizt.

Islamisten könnten nun in Libyen erstarken

Daher besteht die Gefahr, dass die Konflikte von einem Land zum nächsten springen. Der frühere Außenminister Mauretaniens, Mohammad-Mahmoud Ould Mohamedou, vermutete etwa beim Symposium, dass die Islamisten, nachdem sie nun aus Nordmali großteils verdrängt wurden, wieder verstärkt in anderen Ländern operieren werden.

Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" führte Mohamedou aus, dass er dabei vor allem die Al-Kaida im Maghreb (Aqim) im Auge habe. Denn die Aqim sehe sich ohnehin als transnationale Gruppierung - ihre Kämpfer rekrutieren sich auch aus allen Herren Ländern. Welchen Staat Mohamedou, der nun für das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik arbeitet, besonders gefährdet sieht? "Libyen. Dieses Land befindet sich nämlich in einem komplizierten Transformationsprozess. Und hier haben Islamisten schon Wurzeln geschlagen."