Industrieller Hannes Androsch will Anstoß geben, öffentliche Hand soll "ihren angemessenen Beitrag zahlen".
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Ab und zu muss etwas Neues her. Drei Millionen Euro will der Industrielle Hannes Androsch aus seinem Stiftungsvermögen zur Verfügung stellen, um in Wien ein Doktorats-
college für Digitalisierung ins Leben zu rufen. Das gab Androsch am Montagabend bei der Fünfjahresfeier des Complexity Science Hub (CSH) in Wien bekannt, die Corona-bedingt im siebenten Jahr von dessen Bestehen stattfand. Die Idee zu der Neugründung stammt ebenfalls aus der Zeit vor der Pandemie und wurde ursprünglich am Austrian Institute of Technology (AIT) geboren.
Nachwuchstalente aus Fachgebieten wie Computerwissenschaften, Maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz oder Komplexitätsforschung sollen aus aller Welt nach Wien kommen, um in der Bundeshauptstadt ihren PhD zu machen. Nach dem Vorbild des Institute of Science and Technology in Klosterneuburg soll eine Postgraduate-Universität von hohem wissenschaftlichem Niveau entstehen. Für den Unterricht sollen internationale Forscher für Blockseminare von Top-Universitäten an die neue PhD-Schule geholt werden.
"Mix von innovativer Theorie und deren Anwendung"
"Überall in Österreich fehlen Fachkräfte. Ein Ort, wo man auf dem höchsten Niveau arbeitet, wäre unser Beitrag zu diesem Flaschenhals. Wir müssen ein Umfeld schaffen, das die Leute anzieht und hält, weil sie sich in ihren Fachgebieten austauschen können", skizziert CSH-Chef Stefan Thurner die geplante Ausrichtung. Zu den Komponenten dieses neu zu schaffenden Ökosystems für Digitalisierung würden einschlägige Forschungseinrichtungen, Partner-Unternehmen und die die Doktoratsschule zählen: "Es geht um den richtigen Mix von innovativer Theorie und deren Anwendung und die Ausbildung von Menschen mit Fähigkeiten, die sie im dritten Jahrzehnt brauchen", sagt Thurner.
Der 2015 gegründete CSH erwirbt sich unter anderem mit seinen Prognosen zum Pandemieverlauf internationale Anerkennung. Zu den Mitgliedern des Vereins zur Erforschung komplexer Systeme zählen etwa Technische und Medizinische Universität Wien, das AIT oder die Wirtschaftsuni Wien. Heute hat der CSH 50 eigene und 20 von den Mitgliedsinstitutionen zugeteilte Mitarbeiter - und platzt, wie es heißt, in seinen Räumlichkeiten im Palais Strozzi im achten Wiener Gemeindebezirk aus allen Nähten.
Gesucht wird eine neue Immobilie, die der CSH mit dem geplanten Doktoratscollege für Digitalisierung teilen könnte. Als Möglichkeit nennt Androsch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" das Palais Rothschild im vierten Wiener Gemeindebezirk, das im Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft steht. Dem Vernehmen interessiert sich allerdings eine Außenstelle der Kunstuniversität Linz für diese Räumlichkeiten. "Aber man muss Prioritäten setzen und das Palais steht zur Verfügung", sagt Androsch.
Inhaltliches Know-how aus Deutschland
Inhaltlich soll das Doktoratscollege für Digitalisierung in Zusammenarbeit mit der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren aufgebaut werden. Die größte deutsche Organisation zur Förderung von Forschung, die bereits sechs PhD-Schulen betreibt, soll ihr Know-how zur Verfügung stellen.
Zum Aufbau des College in Wien müssten acht neue PhD-Studierende pro Jahr in den kommenden neun Jahren angestellt werden, war aus der CSH-Geschäftsführung zu erfahren. Dafür würden insgesamt um die zehn Millionen Euro benötigt.
Mit den genannten drei Millionen Euro will Androsch den Anstoß für ein Private Public Partnership geben. "Allerdings muss das ,public‘ noch her. Ich gehe davon aus, dass der Bund und die Stadt Wien ihren angemessenen Beitrag zahlen", sagte Androsch.
Der so angesprochene Wissenschaftsminister Martin Polaschek signalisierte auf Anfrage der "Wiener Zeitung" Gesprächsbereitschaft: "Wir haben noch kein Konzept dazu im Haus, aber wenn es eines gibt, dann schauen wir es uns an", sagte er.
"Grundsätzlich ist die Finanzierung von Hochschulen Aufgabe des Wissenschaftsministeriums", hieß es aus dem Ministerium für Klimaschutz, Energie und Innovation, das in Österreich das größte Forschungsbudget verwaltet. "Das wäre sicher auch im konkreten Fall der erste Ansprechpartner. Auch im Klimaschutzministerium gibt es jedoch unterschiedliche Förderschienen im Bereich der Technologie und Innovation. Für eine Förderung braucht es jedenfalls einen konkreten Projektplan und die dafür notwendigen Details. Das liegt uns aktuell noch nicht vor."
Das Büro des Wiener Finanzstadtrats Peter Hanke gab bekannt, mit dem Konzept in den Grundzügen vertraut zu sein. "Digitalisierung ist immer ein wichtiges Thema und wir werden die Idee gerne prüfen, wenn sie uns im Detail vorliegt", hieß es.
Geplante TU Linz als Konkurrenz
Bereits ein Gründungsgesetz gibt es zur geplanten Technischen Universität (TU) Linz, die ebenfalls digitale Expertise aufbauen, jedoch der öffentlichen Hand mit zunächst 150 Millionen Euro zu Buche schlagen soll. Kritik kommt aus dem universitären Bereich. Man hat Bedenken hinsichtlich des wissenschaftlichen Anspruchs, des Zeitplans und der Finanzierung und befürchtet, die Freiheit der Wissenschaft werde ausgehebelt. "Das vorliegende Konzept zeigt eine extrem einseitige Orientierung an den Bedürfnissen der oberösterreichischen Industrie und eine bedrohliche Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre", betont die Präsidentin der Universitätenkonferenz, Sabine Seidler. Androsch sieht den vergleichsweise geringeren Betrag, den ein PhD-College für Fachgebiete der Digitalisierung erfordern würde und höhere Förderungen für bereits vorhandenen Firmen und Forschungsstätten für Mikroelektronik, Künstliche Intelligenz oder Mechatronik erlauben würde, worin er "den größeren Vorteil" sieht.