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Drei Schwerpunkte für gesündere Krankenkassen

Von Jan Michael Marchart

Politik

Die neue Hauptverbands-Chefin Rabmer-Koller möchte mehr Effizienz im Gesundheitssystem.


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Wien. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat seit Dienstag offiziell einen neuen Vorsitz. Mit Ulrike Rabmer-Koller (49) wurde erstmals eine Frau in diese Position gewählt - einstimmig. Die Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer, die sie auch bleiben wird, folgt Peter McDonald nach, der im Oktober Generalsekretär der ÖVP wurde. Rabmer-Koller definierte drei Schwerpunkte für ihre Amtszeit: Prävention, ein effizientes Gesundheitssystem und dass der Patient im Mittelpunkt stehen müsse.

Österreich müsse weg von einer Reperaturmedizin, hin zu mehr Prävention, um Folgekosten zu sparen. Dabei setzt Rabmer-Koller auf die Stärkung der Eigenverantwortung und auf Anreizsysteme, "damit die Menschen bewusster und gesünder leben".

Gutscheine und Hunderter

Als Anreiz kann sich Rabmer-Koller Gutscheine vorstellen, wie es die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) mit dem "Gesundheits-Hunderter" macht, den man etwa für Langlaufcamps einlösen kann. Auch die von der SVA praktizierte Halbierung der Selbstbehalte für vereinbarte Gesundheitsziele nannte sie. Das Modell könne man auf andere Projekte ausweiten. Gleichzeitig beschwichtigte sie aber, dass dies nur Ideen seien. Sie wolle den Krankenkassen nicht "von oben herab" etwas vorschreiben. Jeder Punkt soll gemeinsam verhandelt werden.

Präventionsmaßnahmen müssen finanziert werden. Eine Erhöhung von Steuern, beispielsweise der Tabaksteuer, lehnt Rabmer-Koller aber ab. Sie sei gegen neue Steuern, man könne mit den vorhandenen Mitteln auskommen, wenn man sie effizient einsetze. Effizienz, ein weiterer Schwerpunkt. Es gehe darum, sorgsam mit den Beiträgen der Versicherten umzugehen, fasste Rabmer-Koller zusammen, ohne konkret zu werden. Sie möchte Verhandlungen nicht vorgreifen. Erste Gespräche stehen Anfang 2016 an.

Gespräche sind auch mit der Ärztekammer geplant, um ihren Widerstand gegen die geplanten Primärversogungszentren zu brechen. Rabmer-Koller hält diese Zentren für einen wichtigen Ansatz, um die Spitalsambulanzen zu entlasten. Sie möchte auch den Stand der Kassenärzte stärken. Denn auch der niedergelassene Bereich bekommt durch die in der Gesundheitsreform verankerte Auslagerung von Leistungen aus den Spitälern mehr Arbeit. Ob dafür die gesetzlich festgelegten Limits für Leistungen in den Kassen-Praxen aufgehoben werden, ließ die neue Vorsitzende aber offen. Von Prävention und Effizienz im Gesunheitsbereich soll der Patient profitieren.

Krankenkassen im Minus

Für die wieder ins Minus gerutschten Krankenkassen will Rabmer-Koller kein Geld vom Staat verlangen. Das Problem möchte sie mit Kosteneinsparungen lösen. Wo die neue Hauptverbands-Chefin einsparen möchte, wollte sie jedoch nicht sagen. Die Gesundung der Kassen ist wohl die größte Aufgabe von Rabmer-Koller in den nächsten Jahren. Bei einem Budget von 17,2 Milliarden Euro rechnen die Kassen für heuer mit einem Minus von rund 85 Millionen Euro. Die aktuelle Prognose des Hauptverbands fällt etwas besser aus als noch im Sommer, als von einem Verlust von 129 Millionen Euro die Rede war. Geringfügig höhere Beitragseinnahmen und doch ein wenig niedrigere Ausgaben seien dafür verantwortlich.

Die Prognosen rutschen aber auch deswegen ins Minus, weil der Strukturfonds, der 2010 rund 100 Millionen Euro und 2011 bis 2014 jährlich 40 Millionen Euro zugeschossen hatte, heuer für die Gratiszahnspange für Kinder und Jugendliche aufgelöst wurde. Der Strukturfonds war eines jener Instrumente, das die Sanierung der Kassen vorangetrieben hatte. Wenn die Kassen bestimmte, vorgegebene Finanzziele erreichten, erhielten sie Geld. Ab 2016 wird es zwar wieder einen Strukturfonds geben, mit 10 Millionen Euro jährlich ist dieser aber deutlich kleiner als früher.

Auch die steigende Arbeitslosigkeit, die Zunahme der Teilzeitarbeiter und Pensionisten sowie eine geringe Lohnerhöhung tragen zum Minus bei. Beklagt wurden von den Kassen auch die hohen Medikamentenkosten. Kürzlich einigten sich Sozialversicherung und Pharmawirtschaft auf Rabatte von 375 Millionen bis 2018, um die Kassen zu entlasten.

Ein weiteres Problem betrifft die Mehrwertsteuer. 2009 wurde diese für Medikamente auf zehn Prozent gesenkt. Die Kassen zahlten damals den Bruttopreis, den der Bund per Pauschale vergütete, die trotz Mehrwertsteuer-Senkung unverändert blieb. Die Kassen verdienten damals großartig. Seit 2015 wird jedoch exakt abgerechnet. Auch dieses Geld fehlt.

Laut Leo Chini, Leiter des Forschungsinstitutes für Freie Berufe an der WU Wien, ließen sich die Kassen sanieren, indem der fiktive Dienstgeberanteil, den der Staat für Pensionisten aufwendet, angeglichen wird. Beispielsweise bekommt derzeit die Kasse der Bauern mehr als die Gebietskrankenkassen, sie sollen laut Chini künftig weniger erhalten.