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Drei Siedlungsgürtel schnüren Ostjerusalem ein

Von WZ-Korrespondent Andreas Hackl

Politik

Regierung Netanyahu will Teilung der Stadt für immer unmöglich machen.


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Tel Aviv. Israel kündigte am Donnerstag den Bau von 6000 neuen Wohnungen in Siedlungen im Westjordanland an, und das nur einen Tag, nachdem 14 der 15 Mitgliedsstaaten des UNO-Sicherheitsrat Israels Siedlungspolitik scharf verurteilt hatten. Ein formelles Urteil konnte am Mittwoch nur durch die Drohung eines Vetos von Seiten der USA verhindert werden, die mit ihrer bedingungslosen Unterstützung Israels zunehmend alleine dastehen.

In den letzten Wochen hat Israel seine Siedlungspolitik im besetzten Palästinensergebiet beschleunigt. Dabei ist besonders die Ankündigung neuer Bauvorhaben in Ostjerusalem auf scharfe internationale Kritik gestoßen. So auch von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, die den diese Woche genehmigten Bau von 4110 neuen Wohnungen in Ostjerusalem als "zutiefst beunruhigend" kritisierte.

Ostjerusalem wird von Palästinensern als Hauptstadt eines zukünftigen Staates beansprucht. Der Ausbau jüdischer Siedlungen auf dem Gebiet macht Jerusalem jedoch kaum mehr teilbar und damit eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts auf Basis einer Zweistaatenlösung immer unwahrscheinlicher. So bricht einer möglichen Lösung des Nahostkonflikts mit jedem Siedlerhaus ein weiteres Stück Boden weg.

Netanyahu schafft Fakten

"Mithilfe von Siedlungen versucht (der israelische Ministerpräsident) Benjamin Netanyahu neue Fakten am Boden zu schaffen, die Ostjerusalem in jedem zukünftigen Friedensabkommen unter die Kontrolle Israels bringen würden", sagt der israelische Nahost-Experte Ofer Zalzberg von der International Crisis Group (ICG), die am Donnerstag einen neuen Bericht zu Israels Siedlungspolitik in Jerusalem veröffentlichte. "Ein Palästinenserstaat ohne Ostjerusalem als Hauptstadt ist undenkbar", warnt Zalzberg. Die Chancen, das Territorium zwischen Israel und Palästina aufzuteilen, schwinde mit beängstigender Geschwindigkeit. Und selbst wenn es der Friedensprozess zu einer Einigung auf dem Papier bringen sollte, sei die Auflösung israelischer Siedlungen im Palästinensergebiet schon jetzt kaum möglich - und für jeden zukünftigen Ministerpräsidenten politisch nur extrem schwer umsetzbar.

Es war eine simple Formel, mit der US-Präsident Bill Clinton im Dezember 2000 das schwerste Rätsel im Nahost-Friedensprozess knacken wollte: Die arabischen Teile Jerusalems sollten Teil eines Palästinenserstaates werden, die jüdischen Teile dafür in Israel bleiben. Doch 45 Jahre israelischer Siedlungsbau haben sogar diese Formel zu einem unlösbaren Knoten werden lassen. Denn drei sogenannte "Siedlungsgürtel" zerschneiden den Osten Jerusalems, wobei der äußerste dieser Gürtel die palästinensische Stadtbevölkerung vom Westjordanland abzuschneiden droht.

Enorme Sprengkraft

Auf diesem kritischen Gebiet liegen Siedlungen wie Ma’ale Admumim und Pisgat Zeev, deren Bau die arabische Präsenz rund um die Stadt Jerusalem durch ein jüdisches und daher sicheres Umfeld verdrängen sollte, schreibt ICG zu den Beweggründen der israelischen Politik. Der äußere Ring an Siedlungen wird durch die israelische Sperrmauer "umarmt" und schließt sie zu einer Art Großjerusalem zusammen, während sie die palästinensische Bevölkerung in Ostjerusalem immer mehr einkesselt. Weiter in Richtung Stadtmitte durchzieht ein mittlerer Siedlungsgürtel Ostjerusalem. Dieser habe seit der israelischen Eroberung des Gebiets 1967 mehr als 130.000 jüdische Siedler absorbiert, schreibt ICG. Der Siedlungsbau sei auch eine Antwort auf die akute Wohnungsknappheit in Ostjerusalem gewesen, nachdem die Expansion der Stadt in Richtung Westen von der israelischen Umwelt-Lobby verhindert wurde. Anstatt Wälder abzuholzen, wurde mehr als ein Drittel Ostjerusalems für israelische Siedlungen enteignet, während der Flächenwidmungsplan der Stadtverwaltung nur 13 Prozent des Gebiets für Palästinenser vorsieht. Besondere politische Sprengkraft liegt im inneren Siedlungsgürtel. Hier leben ideologisch motivierte Siedler inmitten palästinensischer Viertel, im Umfeld der historischen Altstadt Jerusalems. Ihre Anzahl ist zwar gering, das Eskalationspotenzial dafür aber umso größer: Denn die Altstadt und ihre Umgebung sind Heimat vieler Heiligtümer. Der Konflikt um Land und Ideologie ist hier besonders geladen. Die Siedler und ihre Interessengruppen besetzen hier biblisches Land, veranlassen Grabungen nach jüdischer Geschichte und schaffen Archäologie-Parks für Touristen. "Mit ihrem extremen Sicherheitsapparat haben diese Siedlungen die palästinensischen Viertel in denen sie liegen in regelrechte belagerte Gemeinschaften verwandelt", schreibt ICG.

Die Gefahr von Gewalteskalation sei anderswo noch größer, sagt Zalzberg. Und zwar am jüdischen Tempelberg, auf dem sich auch die drittheiligste Stätte des Islam befindet, der Felsendom und die Al-Aqsa Moschee. Hierbei handelt es sich nicht um physische Siedlungen, sondern um das Markieren von religiösem Revier. Der Konflikt wird zugespitzt durch jüdische Gelehrte, die ihre Anhänger dazu aufrufen, den Tempelberg für Gebete zu betreten, was Muslime wiederum als Provokation auffassen. "Jerusalem ist ein perfektes Beispiel für das Gesamtproblem im Friedensprozess geworden", schreibt ICG und versucht trotz der fatalen Aussichten durch einige Vorschläge den politischen Akteuren Mut zu machen. Vor allem eine positivere Vision und Offenheit für neue Ansätze sei nötig. Doch das wird vermutlich nicht reichen. Jerusalem ist nicht mehr die Stadt, die es im Jahr 2000 war.