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Drei Sprachen als Standard

Von Thomas Veser

Wissen

"Durch Handel zu Wohlstand", lautete die Losung des einstigen Handelsgerichts von Bozen, und dieses Ziel hat die knapp 100.000 Einwohner zählende Landeshauptstadt von Südtirol bis heute nicht aus den Augen verloren: Mittlerweile meldet das Arbeitsamt für die norditalienische Provinz Vollbeschäftigung. Dass die regionale Wirtschaft, die auf klein- und mittelständischen Unternehmen beruht, genügend Fachkräfte findet, ist vor allem der 1997 gegründeten Freien Universität Bozen (FUB) zu verdanken.


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Die aus den Fakultäten Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Design und Künste sowie Bildungswissenschaften bestehende Lehrstätte bietet praxisnahe, dreijährige BA-Studiengänge an, die besonders auf die Bedürfnisse der Südtiroler Unternehmen ausgerichtet sind.

Zuvor waren Südtiroler Arbeitgeber gezwungen, dringend benötigte Fachkräfte im Ausland anzuwerben. Bozens junge Hochschule, die fast ausschliesslich mit Landesmitteln finanziert wird, gab Südtirolern erstmals die Möglichkeit, im eigenen Land ein Hochschulstudium zu absolvieren. Zuvor immatrikulierte man sich in der Regel an der Innsbrucker Universität für ein deutschsprachiges Studium oder an einer norditalienischen Hochschule, vor allem Trient, Verona oder Bologna.

Mit der Umsetzung des Autonomiestatus sah die Regierung unter Landeshauptmann (Ministerpräsident) Luis Durnwalder gute Voraussetzungen für eine eigene Hochschule, die zwar dem Bildungsministerium in Rom unterstellt ist, ihre Personalpolitik über einen Fakultätsrat jedoch eigenständig gestalten kann.

Mittlerweile hat die FUB mit der Regierung einen Leistungsvertrag abgeschlossen und erhält ein Jahresbudget von 35 Millionen Euro. Rund 2.000 Studierende aus 30 Ländern zählt die Bozener Universität mittlerweile, betreut werden sie von etwa 400 Dozierenden, wovon allerdings nur zehn Prozent ständig in der Landeshauptstadt wohnen. Etwa 70 Prozent der Studierenden stammen aus Südtirol, in der Gruppe der Ausländer sind Kursteilnehmer aus Deutschland besonders stark vertreten.

Für ihre Studienortwahl sind nicht zuletzt sprachliche Gründe ausschlaggebend: Alle Lehrveranstaltungen werden in Deutsch, Italienisch und Englisch abgehalten. Die für europäische Verhältnisse ungewöhnliche Dreisprachigkeit ist tragendes Element der FUB, deren Hauptauftrag darin besteht, "an der Schnittstelle der Kulturen zum Ausgleich und zum friedlichen Zusammenleben im europäischen Geist" beizutragen. Sie soll auch die traditionell auf sich selbst bezogene Südtiroler Gesellschaft zur Aussenwelt öffnen und deswegen wählte man Englisch als eine der Lehrsprachen.

Sprachen allgegenwärtig

Legte sich die Bozener Universität nach ihrer Gründung fast jedes Jahr eine neue Fakultät zu, "befinden wir uns jetzt in einer Phase der Konsolidierung", berichtet Hochschulpräsident Friedrich Schmidl. "Die FUB soll eine Nischenuniversität bleiben, mehr als 3.000 Studierende streben wir nicht an", fügt er hinzu. Denn nur auf diese Weise könne man den stärksten Trumpf - ein optimales Betreuungsverhältnis in kleinen, überschaubaren Gruppen, die auf eine moderne Ausrüstung Zugriff haben - künftig bewahren.

Nach über einem halben Jahrzehnt Lehrbetrieb hat die Hochschule nach Worten des akademischen Leiters Günther Mathà eine wichtige Kurskorrektur eingeleitet; man habe realisiert, dass die anfangs vorausgesetzte Zweisprachigkeit der Bewerber in der Realität nur in Ausnahmefällen wirklich gegeben sei.

Jetzt müssen Studienbewerber zunächst nur eine Sprache nachweisen, die zweite und dritte Sprache erwerben sie im Verlauf des Studiums im Sprachenzentrum. Oberstes Ziel der FUB "ist die fest verankerte Dreisprachigkeit aller Absolventen", bekräftigt Mathà. Als Faustregel gilt, dass Prüfungen stets in der Sprache des Dozierenden stattfinden.

Deutsch hat sich mittlerweile generell als vorherrschende Sprache erwiesen, das zeigt sich deutlich in der Pädagogik, deren Fakultät in Brixen eingerichtet wurde. Je nach Art der Lehrveranstaltung kommen jedoch auch die zwei anderen Sprachen stark zum Zug. Im Bereich Informatik liegt der Anteil an englischsprachigen Veranstaltungen bei 80 Prozent, bei Kunst und Design hat sich ein ausgewogenes Verhältnis von jeweils 30 Prozent herauskristallisiert.

Um die fremdsprachliche Ausgangslage der FUB zu verbessern, hat die designierte Rektorin Rita Franceschini, bisher Romanistikprofessorin an der Universität des Saarlandes, den Aufbau eines speziell auf Südtirol zugeschnittenen Sprachforschungsinstituts an der Bozener Universität gefordert. Franceschinis Vorgänger, der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Alfred Steinherr, hatte sich mit seinen Vorstellungen, die Bozener Universität in eine elitäre, nach dem Modell einer Business School ausgerichteten Hochschule zu verwandeln, nicht durchsetzen können.

Bologna bereits erledigt

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt erreicht die junge Lehrstätte, die internationale Diplome verleihen darf, bei Rankings italienischer Hochschulen vordere Plätze und wird nicht selten mit den privaten Einrichtungen Bocconi und der Katholischen Universität, beide in Mailand, verglichen. Unterdessen ist an der FUB der Bologna-Prozess abgeschlossen. Von Herbst an werden die BA-Kurse durch zweijährige MA-Studiengänge und den PhD ergänzt. Ausserdem bietet die Universität dreisprachige interdisziplinär ausgerichtete PPE-Studiengänge (Philosophy, Politics, Economics) an.

Wirtschaftswissenschaften und Pädagogik verzeichnen die meisten Studierenden, aber auch andere Bereiche erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, so etwa der Studiengang mit dem Abschluss Logistik-Ingenieur. Er wird gemeinsam mit dem Polytechnikum Turin gestaltet. Mit diesem Abschluss dürfte die Stellensuche nicht schwer fallen, da Südtirol an der Nord-Süd-Achse liegt und zahlreiche Verkehrs- und Speditionsunternehmen besitzt.

Hoch im Kurs steht ferner Tourismus-Managment am Universitätsstandort Bruneck, in diesem Studiengang ist ein sechsmonatiges Praktikum vorgesehen, das von der FUB organisiert wird. Erfolgreiche Absolventen, so verspricht Präsident Schmidl, finden in Südtirol Stellen vor allem in den einzelnen Sektoren der Landwirtschaft und in KMU der Bereiche Handwerk, Feinmechanik und Möbelherstellung. Wer perfekt Deutsch und Italienisch spricht, habe optimale Chancen, da diese Sprachen in der Verfassung als gleichberechtigt aufgeführt sind.

Beflügeln gute Jobchancen?

Solche Perspektiven heben offenbar die Motivation: 67 Prozent der Immatrikulierten halten die Regelstudienzeit ein. Wer bummelt, muss erhöhte Studiengebühren bezahlen. Mit zehn Prozent liegt die Abbrecherquote eher niedrig. Seit drei Jahren beträgt die Studiengebühr jährlich 950 Euro, daran soll sich Friedrich Schmidls Worten zufolge nichts ändern, "damit die Studienkosten in Bozen, das zu den teuersten Städten Italiens zählt, kalkulierbar bleiben".

Neben einem Vergabesystem für Stipendien an Ausländer bietet die FUB, deren modernes Kollegiengebäude in der Altstadt erbaut wurde, Zimmer in eigenen Studentenwohnheimen an. Und hier legten die Bozener Originalität an den Tag, indem sie die alte Salesianerschule und Teile des noch von Mönchen bewohnten Augustinerklosters umbauen und renovieren liessen.

Freie Universität Bozen/Università Libera di Bolzano, Mustergasse 4, I-39100 Bozen. http://www.unibz.it