Bundesverwaltungsgericht fällt positives Urteil, doch Gegner wollen berufen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien/Schwechat. Die dritte Piste am Flughafen Wien wird vor dem Verwaltungsgerichtshof verhandelt werden - und vielleicht sogar Kreise bis in die EU-Justiz ziehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch die Bewilligung zur Errichtung der dritten Start- und Landebahn zwar bestätigt. Das heißt allerdings nicht, dass der Bau damit unter Dach und Fach wäre. Im Gegenteil: Die Antifluglärmgemeinschaft (AFLG) hat bereits angekündigt, zu berufen und den Fall vor das Höchstgericht zu bringen.
Eigentlich freuten sich so gut wie alle Beteiligten über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - sogar die Gegner. "Die Entscheidung ist aus Sicht der Beschwerdeführer gar nicht so unerfreulich, wie sie auf den ersten Blick scheint", erklärt Wolfram Proksch, Rechtsanwalt und Vertreter der Pistengegner von der AFLG, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Einerseits seien mit der Entscheidung empfindliche Auflagen verbunden, andererseits sei die ordentliche Revision zugelassen. "Das ist de facto eine Aufforderung, dass man das an den Verwaltungsgerichtshof weitergibt", sagt Proksch. Und genau das werde er auch tun.
Zu den Auflagen gehören unter anderen eine Verschärfung des Lärmschutzes sowie eine Reduzierung der CO2-Emmissionen um 30.000 Tonnen. Auflagen, die für den Flughafen Wien zwar empfindlich sind, die Freude über die gerichtliche Entscheidung aber nicht mindern.
"Brauchen dritte Piste für asiatische Wachstumsmärkte"
"Natürlich sind wir erfreut", sagte Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG. Immerhin sei der Flughafen dabei, aus allen Nähten zu platzen. "Wir gehen aus heutiger Sicht davon aus, dass zwischen 2025 und 2030 die Kapazitätsgrenze definitiv erreicht ist. Wenn es dann nicht zu einer Erweiterung der Infrastruktur kommt, würde in Wien nichts mehr gehen", erklärt Ofner. Die mögliche Zukunft könne man bereits jetzt an der Schweiz beobachten - wo es bereits eine dritte Piste gibt. "Zürich hat massive Kapazitätsprobleme. Die sind schon jenseits der 20 in der Pünktlichkeitsstatistik, weil sie nur bestimmte Routen nutzen können und in der Kapazität eingeschränkt sind."
Die dritte Piste sei aber vor allem wichtig, "um die großen touristischen Wachstumsmärkte zu erschließen, die ja nicht in Europa liegen, sondern in Asien", sagt Ofner. Denn bei den Wunschdestinationen stehen Österreich, zumal Wien, bei den Touristen an vorderster Stelle. Allerdings fehlen dafür entsprechende Langstreckenangebote.
"Umweltschutz wurde nicht miteinbezogen"
Allerdings seien die Umwelt und deren Belastung nicht Teil der Rechnung, erklärt Proksch. "Das Bundesverwaltungsgericht vermerkt an diversen Stellen, dass es den Umweltschutz nur deswegen nicht einbeziehen konnte, weil es an die Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofs gebunden sind." Das Bundesverwaltungsgericht hatte nach der Aufhebung seiner ersten Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof im Juni 2017 neuerlich über die Beschwerden der Flughafen-Anrainer zu entscheiden. Dabei hatte der Verfassungsgerichtshof den Rahmen für die Berücksichtigung der öffentlichen Interessen vorgegeben. "Dass man bei einem derartigen Projekt den Klimaschutz überhaupt nicht beachten muss, halte ich für grob EU-rechtswidrig", erklärt nun Proksch. Er wolle daher neben der Berufung noch weitere Schritte setzen. Er überlege, die EU-Kommission dazu anzuregen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich zu prüfen.
Wien legt Beschwerde ein und freut sich
In der Politik schien jedenfalls alles außer den Grünen und der Liste Pilz über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu jubeln. Einzig die Neos zeigten weder Emotion noch Präferenz. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) meint, dass damit "zehntausende Arbeitsplätze gesichert bzw. neu geschaffen werden, anstatt in unsere Nachbarländer abzuwandern". Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) plädiert dafür, "Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort als Staatsziele in die Verfassung aufzunehmen".
Fast schon paradox mutete es an, dass auch einer der Beschwerdeführer hoch erfreut ist: die Stadt Wien. Tourismusstadträtin Renate Brauner (SPÖ) erklärte: "Zentral war für mich, dass durch die Aufhebung des damaligen Urteils alle Interessenslagen ausgewogen vor dem Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt werden können." Wien sei stets für den Bau der dritten Piste gewesen. Die Hauptstadt sei einer der weltweit größten Kongressstandorte, auf Tourismus angewiesen und müsse sich im internationalen Wettbewerb behaupten. Warum sich die Stadt angesichts dieser Begeisterung an der Beschwerde beteiligt habe, erklärt Brauners Pressesprecher Mario Dujakovic. "Das war ein formalrechtlicher Kniff."
Man habe im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren keine Parteienstellung gehabt, da der Flughafen auf niederösterreichischem Landesgebiet liege. Daher habe man in einer juristischen Finesse eine gegenstandslose Beschwerde eingebracht, um sich so einen Platz am Tisch zu sichern.
Eine, die sich gar nicht freut, ist Brigitte Krenn, grüne Vizebürgermeisterin von Schwechat: "Eine dritte Piste ist derzeit nicht notwendig." Sie führt den internationalen Vergleich an mit Städten, die bereit drei Pisten haben. "Dort gibt es bis zu 500.000 Flugbewegungen im Jahr", sagt sie. Dies würde bedeuten, dass sich die Flugbewegungen in Schwechat mehr als verdoppeln würden. Fluglärm, überlasteter Autoverkehr, Luftschadstoffe, klimaschädliche Gase seien die Folge.
Auch Niederösterreichs grüne Klubobfrau Helga Krismer ist enttäuscht. "Die Bundesregierung und das Land Niederösterreich haben sich von allen Klimazielen verabschiedet", sagt sie. Auch die Umweltschützer schlagen Alarm, sehen aber noch nicht alles verloren. "Es ist eine vorläufige Entscheidung", so Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation Virus. "Es braucht in Folge eine politische und wirtschaftliche Entscheidung." Die dritte Piste sei keine Notwendigkeit, der Flugverkehr gehöre aus Umweltgründen begrenzt. Außerdem fügt er hinzu: "Ich sehe bei uns keine Flugzeuge in der Warteschleife in der Luft." In dieser befindet sich derzeit lediglich die dritte Piste.