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Zielpunkt-Insolvenz: Dass im Lebensmittelhandel im Oktober und November die Umsätze eingebrochen wären, wird in der Branche nicht bestätigt - Zielpunkt mit mehr als 200 Millionen Euro überschuldet.
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Wien. Auch wenn die endgültige Summe vorerst unklar ist - eines steht nach der Pleite der Lebensmittelkette Zielpunkt, die ja liquidiert werden soll, bereits jetzt fest: Für den staatlichen Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds (IEF) wird es ziemlich teuer, die offenen finanziellen Ansprüche der rund 2900 Mitarbeiter zu begleichen.
Wie dem Insolvenzantrag von Zielpunkt zu entnehmen ist, geht es - was die November-Gehälter und das Weihnachtsgeld betrifft - um insgesamt 9,7 Millionen Euro. Dazu kommen für den IEF künftig allerdings noch Gehaltszahlungen aus dem vorläufigen Weiterbetrieb des Handelsunternehmens. Deren Höhe ist jedoch schwer abschätzbar, weil derzeit noch offen ist, wie lange und in welchem Umfang das Geschäft fortgeführt wird und wie viele Mitarbeiter dafür notwendig sind. Das zu entscheiden, ist nun eine der ersten Aufgaben von Masseverwalter Georg Freimüller.
Daneben entfällt der größte Brocken für den IEF mit rund 56 Millionen Euro (laut Insolvenzantrag) auf Ansprüche der Beschäftigten aus der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Zu diesen Ansprüchen zählen vor allem Abfertigungen für Mitarbeiter, die noch in die alte Regelung fallen, Entschädigungen für nicht konsumierten Urlaub sowie Kündigungsentschädigungen.
Geld noch vor Weihnachten?
"Die 56 Millionen Euro haben uns sehr überrascht", räumt Wolfgang Pfabigan, der Geschäftsführer des Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds, ein. "Diese Zahl kommt uns sehr hoch vor, wir werden das noch genau prüfen."
Unabhängig davon stellt Pfabigan den hauptsächlich weiblichen Zielpunkt-Mitarbeitern die rasche Überweisung ihrer November-Gehälter und auch des Weihnachtsgelds in Aussicht. "An uns soll es nicht scheitern", sagt er. Möglich wäre die Überweisung der Gelder "noch vor Weihnachten", falls die Anträge der Mitarbeiter beim IEF in den kommenden Tagen eintrudeln. Wie berichtet, sind Arbeiterkammer und Gewerkschaft gerade dabei, den Zielpunkt-Beschäftigten beim Ausfüllen der Anträge zu helfen.
Indes hat Zielpunkt sämtliche Mitarbeiter über das AMS-Frühwarnsystem zur Kündigung angemeldet. Das bedeutet aber nicht, dass diese schon ihren Job verloren haben. Kündigungen dürfen nämlich erst 30 Tage nach der Anmeldung im Frühwarnsystem ausgesprochen werden, und danach kommt noch die Kündigungsfrist dazu. Wie viele Menschen dann ohne Job sind, hängt unter anderem davon ab, ob und wie viele Standorte von den anderen Handelsketten übernommen werden.
Damit die Zielpunkt-Mitarbeiter bis zur Überweisung der offenen Gehälter durch den IEF nicht auf dem Trockenen sitzen, haben die Banken ihnen eine höhere und vor allem zinsfreie Überziehung ihres Gehaltskontos eingeräumt. Dem Vernehmen nach haben zirka 600 Mitarbeiter Bawag, Erste, Bank Austria und Raiffeisen als Hausbank. Auch die anderen Institute kommen den Zielpunkt-Mitarbeitern seit Montag - da hat das Handelsgericht Wien das Konkursverfahren eröffnet - in Abstimmung mit dem Sozialministerium mit einer Kulanzlösung entgegen.
Laut dem Gläubigerschutzverband "KSV1870" ist Zielpunkt mit mehr als 200 Millionen Euro überschuldet. Passiva von rund 237 Millionen Euro stehen Aktiva von lediglich 33,4 Millionen Euro gegenüber. Gemessen an den Insolvenzschulden ist der Konkurs von Zielpunkt nach dem Konsum und Libro die drittgrößte Handelspleite in Österreich seit 1992. Die erste Gläubigerversammlung findet am 15. Dezember statt, die Tagsatzung zur Prüfung der angemeldeten Insolvenzforderungen am 25. Februar 2016.
Folgepleite in der Steiermark
Dass im heimischen Lebensmittelhandel im Oktober und November die Umsätze eingebrochen wären, wie Zielpunkt im Insolvenzantrag als einen der Gründe für den Zusammenbruch angeführt hat, wird von der Branche nicht bestätigt. "Das kann man nicht sagen. Insgesamt läuft das Jahr ganz gut", heißt es dort.
Indes wird der steirische Zielpunkt-Lieferant Schirnhofer, Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren, infolge der Pleite seines größten Kunden ebenfalls Insolvenz anmelden müssen, wie die APA berichtet. Hier sind rund 300 Mitarbeiter betroffen. Es soll aber geplant sein, die Firma zu sanieren und weiterzuführen.