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Darf das US-Pentagon Forschung finanzieren? Eine parlamentarische Anfrage der Grünen greift ethische Fragen auf.
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Wien. Welche Forschungsprojekte wurden seit 2009 vom US-Verteidigungsministerium finanziert? Was für Kontroll- und Bewilligungsmechanismen für Drittmittelprojekte gibt es? In welchem Umfang wird Forschung für das US-Pentagon über mitverwendete Räumlichkeiten, Labors und Mitarbeiter indirekt durch österreichische öffentliche Gelder mitfinanziert?
Das sind drei von insgesamt 16 Fragen, die die Grünen am Montag in einer parlamentarischen Anfrage Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner stellen werden. Sechs Monate sind vergangen, seitdem die "Wiener Zeitung" gemeinsam mit NDR Info aufgedeckt hat, dass an allen großen österreichischen Universitäten Forschung vom US-Militär bezahlt wird. An einigen Hochschulen hat der Bericht einen Diskussionsprozess ins Rollen gebracht, allen voran an der Boku, der Universität für Bodenkultur in Wien.
An der Boku wird diskutiert
Das an der Boku angesiedelte Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften hat vor wenigen Wochen im Rahmen der Ringvorlesung "Umgang mit Technik" eine Diskussion zu "Dual Use" organisiert. Das Publikum bestand aus Wissenschaftern, Professoren und Studierenden, am Podium diskutierte der Leiter des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften Wolfgang Liebert mit Uwe Sleytr. Seine Forschung im Bereich der Nanobiotechnologie wird vom US-Pentagon bezahlt, es ist eines von mehr als 30 Projekten in Österreich, die in den vergangenen fünf Jahren Geld vom US-Verteidigungsministerium erhalten haben.
Sleytr argumentierte, er könne die Ergebnisse seiner Forschung frei publizieren. Und er gab zu, die Ergebnisse seiner Forschung seien auch militärisch nutzbar. "Das ist ein generelles Problem der Wissenschaft: Alles kann zum Guten, aber auch zum Bösen verwendet werden", sagt Helmut Denk, Vorsitzender der Ethikkommission an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Doch worum genau geht es bei diesem Projekt? Sleytr und sein Team waren gegenüber der "Wiener Zeitung" zu keinem Gespräch bereit. Dennoch war über das Projekt einiges in Erfahrung zu bringen: "Sleytrs unbestreitbare Expertise in der Biomembranforschung ist für die Entwicklung einer ‚künstlichen Nase‘ unerlässlich. Diese Biosensoren könnten eines Tages die Sensibilität der Geruchsrezeptoren eines Spürhundes übertreffen, und es sind viele wünschenswerte Anwendungen denkbar", erklärt Norbert Rozsenich, stellvertretender Vorsitzender des Universitätsrates an der Boku. Denkbar ist der Einsatz beispielsweise bei Suchaktionen nach Lawinenunglücken.
"Wenn aber der Geldgeber das US-Militär ist, besteht die Gefahr, dass diese Technologie primär für offensive Militäraktionen wie im Häuserkampf eingesetzt wird", sagt der ehemaliger Leiter der Forschungssektion im Wissenschaftsministerium Rozsenich. Er fordert: "Die Boku sollte gänzlich auf ethisch bedenkliche Förderungen durch ausländische Militäreinrichtungen verzichten."
Diese Forderung ist auch in den Entwicklungsplan der Boku eingeflossen. Seit kurzem heißt es darin: "Die Boku sieht sich als Universität des Lebens und der Nachhaltigkeit besonders in der Pflicht, ethische Fragen, die sich aus der Forschung selbst oder der Zusammenarbeit mit 24 Geldgebern und Kooperationspartnern ergeben, zu bedenken. Dabei setzt sie auf einen Diskurs, der von der Ethikplattform unterstützt werden kann - ohne dabei das Grundrecht auf Freiheit der Forschung einzuschränken." Das Ziel der Forschung an der Boku ist demnach "die Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft. Forschungsprojekte für militärische Stellen zur Unterstützung kriegerischer Auseinandersetzungen liegen nicht im Fokus der Boku."
Die Ethikkommission der Akademie der Wissenschaften hat sich nun des Themas "Dual Use" angenommen und erarbeitet gemeinsam mit dem Wissenschaftsfonds FWF und der Christian Doppler Gesellschaft allgemeine Richtlinien betreffend der Förderung von Forschungsprojekten.
Einzelne Projekte zu prüfen, liege nicht in der Kompetenz der ÖAW, betont Helmut Denk, Vorsitzender der Ethikkommission: "Unsere Aufgabe ist es, die wissenschaftliche Integrität zu prüfen, Stellung zu nehmen und allgemeine Richtlinien zu erstellen." Auch Uwe Sleytr ist Teil der Ethikkommission - ist er aufgrund seines Forschungsprojektes befangen? "Das wäre er, wenn sein Projekt an der ÖAW angesiedelt wäre", sagt Denk. Da das Projekt aber an der Boku läuft, könne er Teil der Kommission an der ÖAW bleiben - auch weil diese sich ohnehin nicht mit einzelnen Projekten befasst.
Die Grünen fragen in ihrer parlamentarischen Anfrage auch nach Aufgaben und Richtlinien für Mitglieder des Kontrollgremiums an der ÖAW. "Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung darf keinesfalls gefährdet werden", betont Sigrid Maurer, Wissenschaftssprecherin der Grünen, "weder durch die Abhängigkeit von Forscherinnen und Forscher, noch von ihren Geldgebern, noch durch rigorose Gesetze, die festlegen, was beforscht werden darf und was nicht."
Drittmittel-Projekte gehören an Hochschulen mittlerweile zum Alltag. Kürzlich wurde das Universitätsgesetz novelliert. "Damit wurden Unklarheiten für die Universitäten aufgrund des neuen Korruptionsstrafrechts bei Drittmitteln und Spenden, ausgeräumt", sagt ÖVP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle. Er geht daher davon aus, dass die derzeitige Rechtslage den Anfordernissen der Transparenz gerecht wird. "Sollten sich neue Fragen stellen oder sollte sich weiterer Adaptierungsbedarf ergeben, könne dies aber natürlich diskutiert werden", so Töchterle.
Auch Maurer fordert eine "breite, gesellschaftliche Diskussion. Die Öffentlichkeit muss Bescheid wissen, was an den Unis passiert. Und die erste Voraussetzung dafür ist größtmögliche Transparenz. Die muss Minister Mitterlehner schaffen." Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass die Debatte so bald nicht abreißen wird: An der Boku finden sich auch Befürworter einer Zivilklausel, womit sich die Uni auf friedliche Forschung verpflichten würde. "Es ist ein Prozess. Es sind weitere Veranstaltungen geplant", heißt es seitens der Boku-Hochschülerschaft.
An allen großen österreichischen Universitäten kooperieren Forschungsteams mit dem US-Militär, wie die "Wiener Zeitung" in Zusammenarbeit mit dem Radiosender NDR Info im Juli 2014 recherchiert und veröffentlicht hat. Seit 2009 haben österreichische Universitäten und die ebenfalls öffentliche Akademie der Wissenschaften (ÖAW) 8,8 Millionen Euro vom US-Verteidigungsministerium erhalten. Oft kommt das Geld für die Forschung von der Air Force, der US-Luftwaffe. Meist betonen die Forscher, es handle sich lediglich um Grundlagenforschung.
Aus einem Papier der Air Force geht jedoch hervor, dass diese an Forschung und Entwicklung interessiert ist und damit Grundlagenforschung anders definiert als in Europa üblich. Ziel sei es, "revolutionäre, wissenschaftliche und militärisch signifikante Durchbrüche" zu erzielen, ist in dem Papier zu lesen.
Die Dual-Use-Forschung besagt, dass militärische Forschung immer auch zivile Zwecke bedient und umgekehrt.
In Deutschland fand 2013 eine ähnliche Debatte statt wie derzeit in Österreich. Einige deutsche Universitäten haben inzwischen eine Zivilklausel, die Hochschulmitglieder auf friedliche Forschung verpflichtet.
Die parlamentarische Anfrage der Grünen auf der Homepage des Parlaments.