)
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat in seinen Labors ein Medikament namens Imunofan entwickelt, das nicht nur in Russland, sondern künftig sogar in den Vereinigten Staaten vertrieben werden soll. Damit wird erstmals auch offiziell enthüllt, dass auch der neue russische Geheimdienst, so wie sein sowjetischer Vorläufer, der berühmt-berüchtigte KGB, nach wie vor an der Entwicklung von Psychopharmaka arbeitet.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nachzulesen ist das auf der website des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes, wie der Inlandsgeheimdienst offiziell heißt. Mit 4.500 Worten wird da das neue Medikament angepriesen, das bei den Spezialkommandos des FSB (in etwa unserer "Cobra" vergleichbar) getestet und erfolgreich eingesetzt wurde und wird. Nach den Worten von Wladimir Lebedew, dem Leiter des medizinischen Instituts des Geheimdienstes, das zahlreiche Labors und umfangreiche Forschungsarbeiten betreibt, wurde das Medikament erfolgreich bei Angehörigen der FSB-Spezialkommandos angewandt, die nach ihrem Einsatz unter den typischen Symptomen von "posttraumatischem Stress" litten.
Weil sie auch in anderen Bereichen angeblich so wirkungsvoll ist, wurde die Droge, mit deren Entwicklung von Lebedew schon vor 12 Jahren als Leiter des biotechnologischen Laboratoriums am Zentralinstitut für Epidemiologie begonnen hatte, nun auch von den russischen Gesundheitsbehörden für den allgemeinen Gebrauch und den Vertrieb über die Apotheken zugelassen. Man braucht dafür eine ärztliche Verschreibung und hat pro Spritze dafür umgerechnet etwa 0,80 Euro zu berappen. Laut eigener Darstellung hat Lebedew aus sechs Aminosäuren ein kleines Molekül synthetisiert, dem er den Namen Imunofan gab. Ursprünglich war Imunofan (wie auch der Name verrät) dafür gedacht, das Immunsystem des Körpers zu stärken, wie aus einem anderen Artikel der Zeitung "Novosti Razvedki i Kontrrazvedki" (also in etwa Nachrichten aus der Spionage und Spionageabwehr) hervorgeht. Es sollte vor allem bei Krebspatienten eingesetzt werden, um die Nebenwirkungen der Chemotherapie zu verringern. Imunofan kann aber auch bei HIV-Infektion, Hepatitis und Diphtherie zur Anwendung kommen.
Aber als dann vor sechs Jahren der Inlandsgeheimdienst an Lebedew herantrat und ihn "ersuchte", ihm seine Kenntnisse und Erfahrung zur Verfügung zu stellen, um "dem Land im Kampf gegen den tschetschenischen Terrorismus zu helfen," sagte er zu. "Ich dachte, das ist meine bürgerliche Pflicht." Er trat in den Dienst des FSB, blieb aber als Eigentümer seiner Firma Bionox, die Medikamente herstellt, finanziell unabhängig. Der FSB stellte ihm aber das "Menschenmaterial" für Tests und die daraus gewonnenen statistischen Daten zur Verfügung. 2002 erhielt er für seine Tätigkeit für den Inlandsgeheimdienst eine staatliche Auszeichnung. Lebedew betont, dass seine Zusammenarbeit mit dem FSB "rein wissenschaftlicher" Natur sei.
Bei der Zusammenarbeit mit Lebedew ging es laut Jewgenij Tscherepanow, dem Leiter des FSB-Instituts für Physiologie und Psychologie, und Wladimir Komarow, ebenfalls ein verdienter Forscher an diesem Institut, vor allem darum, für die Spezialkommandos des Geheimdienstes und auch der Armee, die nach Kämpfen und Einsätzen aus der Rebellenrepublik Tschetschenien oft schwer verstört und psychisch vollkommen labil waren, ein wirkungsvolles Medikament zu finden.
Lebedew, von seinem Medikament Imunofan als "Wundermittel" geradezu fanatisch überzeugt, empfahl es an Freiwilligen zu testen. So zeigte sich, laut Komarow, bei einem Patienten, der 15 Jahre an chronischer Schizophrenie gelitten hatte, ein überraschender Heilungserfolg. Schon am sechsten Tag und nach nur fünf Injektionen mit Imunofan verschwanden die Krankheitssymptome völlig. Der Offizier hatte an der Vorstellung gelitten, dass seine Schwester, während sie neben ihm saß, dauernd vergewaltigt wurde. An diesem sechsten Tag sagte: "Ich bin völlig in Ordnung und auch meiner Schwester geht es gut."
Damit lag die Vermutung nahe, dass Imunofan abseits der gar nicht so überragenden Erfolge bei Krebspatienten, HIV-Infizierten etc. vor allem ein Psycho-Pharmaka zu sein schien, ohne dass es - so Jewgenij Tscherepanow - die üblichen schweren Nebenwirkungen solcher Medikamente hatte.
Die Spezialeinheiten des FSB lassen sich inzwischen sowohl vor als auch nach den Kampfeinsätzen Imunofan spritzen. Die Effekte sind laut Tscherepanow offenkundig. Die Stressbewältigung im Einsatz wird weitaus besser und die "emotionale Kondition" nach den Einsätzen ist deutlich stabilisiert. Auch Selbstmordgefährdete profitieren davon und kommen von ihren Gedanken ab.
In weiteren Versuchen scheint sich ein weiterer Effekt des Mittels abzuzeichnen, dass nämlich Imunofan die Wirkung anderer Medikamente offensichtlich verstärken kann.
Dass sich der russische Inlandsgeheimdienst um die emotionelle Lage seiner Sondertruppen kümmert, hebt sich deutlich von den Gepflogenheiten in Sowjetzeiten ab, so der Duma-Abgeordnete Sergei Gontscharow, der selbst einmal Mitglied von "Alfa", der Sondereinheit des KGB, war. Im unseligen Afghanistankrieg gab es viele Ausfälle, weil die Soldaten nicht den psychischen Stress verkrafteten, auch eine hohe Zahl an Selbstmorden.
Imunofan, das demnächst nun auch seinen Weg in die US-Drug-Stores finden soll, ist freilich nicht das einzige Medikament aus den russischen Geheimdienstlabors, das seinen Weg zum ehemaligen "Erzfeind" geschafft hat.
Antipokhmelin war das erste, das in den USA unter dem Markennamen RU-21 vertrieben wurde und wird. Es war ein Psycho-Pharmakum, das KGB-Agenten im Ausland stets bei sich hatten und das vor den Folgen von Trunkenheit schützt. Gedacht war es dafür, dass die Agenten eben nicht im Suff irgendetwas ausplauderten.
In den Vereinigten Staaten wird es vor allem von jenen genommen, die nach einem Drink sich noch ins Auto setzen oder die am Morgen einer durchzechten Nacht ohne Kopfschmerzen und "Kater" aufwachen wollen.